371. Zauberhafte Heufechsung
In Obertürtsch in Fontanella mußte einmal ein Vater in den Heutagen nach auswärts und das Einbringen blieb seinen zwei halbwüchsigen Knaben allein überlassen. Bevor er ging, mahnte er deshalb: „So, jetzt gon i, seid flißig, duand, was'r mögt. Ond wennd'r am Obet, wennd i heichom, alls Hei ordele of em Stall hend, de wörds mi greusele freua, ond de triha mr zmitta Augusta am hl. Tag a Moaß Wi midnand."
Als der Vater fort war, sagte der ältere Bruder zum jüngeren: „Jetzt laß nu mi macha ond folg mir; bis am Obet ist alls Hei of em Stall, ond d'Moaß Wi luagat scho önsch etgega. Ich weiß ettas Guats, das weischt du noch ned. Önscha Ätti hed a chlis Büachli em Hus versteckt, mit dem cha ma gor alls ganz liecht harbrenga. 's Donebuabamichels-bua, der ältere, hed amoal zua mr gseid: Din Ätti ist en Zauberer, er hed äs Büachle, ond das heißt ma ,Geistlicha Schild', mit dem cham'r da Jomer (Teufel) zwängga, daß er em alls dua muaß, was ma will. Ich weiß, wo'r das Büachle versteckt hed, woart, Hannesie, i wills jetzt grad holla."
Er ging und brachte es, und sie machten sich über das Büchlein her und suchten, bis sie das Kapitel vom Heueinbringen hatten. Was sie da lasen, gefiel ihnen. Ei, der Tausend, so mochte es leichter gehen! — Als der Boden von der Sonne trocken war und Zeit zum Heuausspreiten, ging der Ältere mit dem Zauberbüchlein auf die Wiese hinaus und las, während der andere vom Hause aus zuschaute. Auf einmal wurde alles beweglich: das Heu flog von den Heinzen und breitete sich auf den Boden; die Heinzen selbst hoben sich aus dem Grunde, so fest sie auch darin steckten, und legten sich in Haufen. Wie im Handumdrehen war auch beim Heuwenden alles getan! Am Abend aber beim Einbringen war es gar köstlich zu sehen, wie alles Heu vom Boden dem Stalle zuflog und sich durch die großen Fugen zwischen den Balken zwängte, bis es schön auf dem Heustock lag. — Befriedigt erschauten es die beiden Buben, die keinen Finger gerührt hatten, und konnten kaum erwarten, wie der Vater sie lobe.
Aber als der Vater nach seiner Heimkehr spät abends noch auf den Heustock ging, sah er alle die Halme und Gräslein eben und wie geschichtet nebeneinanderliegen, da war nicht eines übers Kreuz, und mit Grauen erkannte er Teufelswerk. Er verwies den Buben aufs strengste, was sie getan hatten, und war nahe daran, sie zur Strafe alles Heu wieder aufs Feld schaffen zu lassen, denn von dem Bösen wollte er keinen Dienst. — Aber es harrte gar nötige und schwere Arbeit. Darum hieß er die Buben das Büchlein holen und las die betreffende Stelle rückwärts, indem er beim letzten Worte anfing. Nun schoben sich draußen im Tenn ganz still die Halme und Gräser kreuzweis und überzwerch ineinander und mit dem Teufelsspuk war's zu Ende.
Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 371, S. 212f