167. Hexenfahrt
Jetzt will ich noch einen andern Fall erzählen. Da war auch einer, der beobachtete, wie sein Schatz eines Nachts Hände und Füße mit der Hexensalbe bestrich und mit ihrer Hexenmutter zum Kamin hinausfuhr. Da packte ihn die Neugier, zu wissen, wohin diese wohl geflogen seien; er schmierte sich auch mit der Salbe und sagte das Sprüchlein und sofort flog er den ändern nach. Er kam an einen Ort, wo schon viele Hexen versammelt waren und sich bei Mahl und Tanz unterhielten. Er selbst kam sogar mit seiner Hexe zum Reigen.
Punkt 12 Uhr aber war es, als ob man plötzlich ein Licht ausgelöscht hätte: alle Hexen waren verschwunden, nur er allein war noch in dunkler Einsamkeit.
Nach langem Suchen kam der Verirrte zu einem Waldbruder, von dem er erfuhr, daß er so weit von seiner Heimat entfernt sei, daß es ihm gar nicht mehr möglich wäre, bei Lebzeiten in seine Heimat zurückzukehren. So weit war er also in der kurzen Zeit geflogen. Der Klausner gab ihm nun den Rat, zu warten, bis die Hexenweiber wieder zusammenkämen, was jede Woche einmal geschah. Der junge Mann befolgte den Rat und als er die Hexen wieder versammelt fand und auch die Seine unter ihnen erkannte, ließ er sie nicht mehr los, bis er mit ihr glücklich wieder nach Hause fahren konnte.
Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 167, S. 105f