333. Die Messe der Toten
Vor mehr als drei Menschenaltern lebte in Runggelin ein frommer Jüngling. Einmal legte er sich mit dem Vorsatz zu Bett, in der Frühe die Fünfuhrmesse bei den Kapuzinern in Bludenz anzuhören. Da erwachte er in der Nacht und vernahm das Glockenzeichen vom Kapuzinerkirchlein. Er glaubte, sich verschlafen zu haben und machte sich so schnell als möglich auf den Weg. Als er in die hellbeleuchtete Kirche trat, hatte die Messe schon begonnen und das ganze Schiff war mit Andächtigen gefüllt. Der Jüngling kniete neben einem Manne nieder, der einen Stelzfuß hatte. Auf einmal erkannte er ihn. Es war sein längst verstorbener Vater, welcher ernst zu ihm sagte: „Wärest du nicht ein so guter Jüngling, so kämest du heute schlecht zur Tür hinaus!" Da betrachtete der Jüngling die ändern Beter und Beterinnen, welche bleich und still in den Betstühlen knieten. Es waren lauter Verstorbene, die er großenteils kannte. — Als der Jüngling durch das Unterfeld heimging, schlug die Pfarrkirchenuhr halbeins.
Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 333, S. 194