74. Der Nagler im Loch

In Schwarzenberg war einmal einer, der es verstand, Leute so zu bannen, daß sie nicht mehr von der Stelle konnten. Aber das tat der „Nagler im Loch" — so hieß der Mann — nie ohne guten Grund. Er gab seine Kunst nur für wichtige Dienste her, in großer Not oder zu Kriegszeiten.

Als einmal eine feindliche Schar heranrückte, bannte sie der Nagler fest, daß sie weder vor- noch rückwärts marschieren konnten. Darauf wurde mit dem Feind verhandelt: nur dann sollte er vom Banne frei werden, wenn er umzukehren verspräche. Das tat er dann auch. Da man aber doch nicht wußte, was denen Gesellen einfallen würde, wenn sie erst wieder freie Hand hätten, bannte der Nagler den Feinden das Gewehr an den Leib, so daß sie nun zwar retirieren, nicht aber viel schaden konnten. Als sie weit genug weg waren, nahm der Wundermann auch diesen Bann von ihnen und sie waren wieder völlig frei.

Einen Soldaten aber hatte die Kunst des vielvermögenden Mannes so erzürnt, daß er seine Freiheit allsogleich schwer mißbrauchte. In seiner Wut durchschoß er ein Christusbild, das am Weg stand. Da fiel er auf der Stelle tot nieder. Aus der Wunde aber, die die Kugel dem Bilde geschlagen hatte, drangen Blutstropfen.

Zum Bannen hatte der Nagler ein eigenes Buch, und da die Leute viel von seiner Zauberkunst erzählten, wandelte drei Spitzbuben die Lust an, das Buch auf irgend eine Art zu stehlen. Als es gelungen war, wollten sie mit Hilfe des Bildes einen Schatz heben. Dazu brauchten sie eine konsekrierte Hostie. Einer der Burschen, der Ministrant war, stahl sie dem Pfarrer. Unter der Wandlung begannen sie mit der Beschwörung, genau nach der Vorschrift. Da kam ein Hund zum Vorschein, der auf einer Kiste voll Gold saß. Schon waren sie mit den Zaubersprüchen fast zu Ende, da bemerkten sie, daß in dem Buch auch stehe, wer den Raum als letzter verlasse, sei dem Teufel verfallen. Furcht und Angst befiel da die drei Bösewichter, keiner wollte sich eben für den ändern opfern. Zum Glück kamen sie auf einen guten Gedanken. Einer von ihnen lief ins Dorf zum Pfarrer und berichtete ihm die Gefahr. Er wüßte schon etwa noch ein Mittel, sie zu retten.

Man verständigte die Leute im Ort und ging in Prozession mit Kreuz und Fahne hinauf zu jenem Haus, wo die bedrohten Banner warteten. Der Geistliche ging mit dem hochwürdigsten Gut ins Haus, betete und befahl den Buben, sich zu entfernen. Dann trat er selbst den Rückzug an, indem er die Monstranz mit ausgestrecktem Arm dem Teufelstrug entgegenhielt. So war also unser Herr im Sakrament der letzte und dem konnte der Teufel nichts anhaben. So wurden die Buben gerettet und der Teufel selbst überlistet.

 

Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 74, S. 61f