228. Das Nebelmännlein

Der Nebel heißt im Oberland der Traubenlinderer, und man sieht es gern, wenn er sich im Herbst morgens und abends über die Rebhalden legt. Weicht er aber tageweis nicht und lagert dicht und in schweren Massen, so kommt ihm das Nebelmännlein nach. Mit den feuchtkalten Schwaden zieht es und hat einen langen weißen Bart, dicker und länger als es selbst ist. Es saugt fast allen süßen Saft aus den Trauben und trinkt ihn oder nimmt ihn mit sich fort. Noch nie hat man, wenn der Nebel lange über den Wingerten lag, viel Wein gewonnen. Kriecht er an den Bergen herum, so kann man oft den Bart des Nebelmännleins in wallenden Strähnen fluten sehen. „Schau das Nebelmännlein", weisen es dann die Kinder.


Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 228, S. 135f