349. Pauschale, komm!
Benedikt Sparr, ein 79jähriger Greis aus Marul, weiß folgende Geschichte aus eigener Erfahrung zu erzählen. Er führt sie als Beweis an, daß Leute, die zu ihren Lebzeiten dem Vieh das nötige Salz nicht zukommen ließen, nach ihrem Tode als Geister in den Alpen umgehen müssen.
Mein Vater und ich, erzählt Sparr, hüteten im Jahre 1838 das Vieh, es waren hundertzehn Kühe, auf der Zugeralpe am Tannberg. An einem heißen Nachmittag schickte mich der Vater mit den Kühen in ein schattiges Gehölz. Auf einmal rannten die Kühe wie besessen davon und ich vermochte sie mit keiner Mühe zum Stehen zu bringen. Wie ich vorauslief, um einen Posten zu finden, wo ich die Herde aufhalten hätte können, sah ich auf einmal hinter der Hab einen Mann von unmenschlicher Größe, den Mantel aufgerollt über den Schultern, einen Schlapphut auf dem Kopf und an der Seite den Salzsack. Er griff in den Sack, reichte die Hand den Kühen dar, nach der Art der Hirten, die dem Vieh Salz zu lecken geben, und rief immer: „Pauschele, Pauschele, komm, komm, komm." Was willst du, was geht dich das Vieh an? rief ich. In diesem Augenblick war der Mann verschwunden als ob ihn der Boden verschluckt hätte. Das Vieh ging wieder ruhig an den früheren Platz zurück. Ich aber konnte, als mein Vater kam kein Wort mehr sprechen und erst nach drei Wochen bekam ich die Sprache wieder. Mein Vater sagte dann noch, er habe es ganz vergessen, daß man an dem Tag das Vieh nicht auf jenen Platz treiben dürfe. Von dem Butz wisse er schon lange.
Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 349, S. 200f