322. Der Pestkarren

In Bludenz brach die Pest dreimal aus. Am schrecklichsten räumte sie auf im Jahre 1560. Es fielen ihr alle Einwohner bis auf sechzig zum Opfer. Im Kloster St. Peter blieb nur eine Person am Leben. Es war die Laienschwester Elisabeth Zollerin, welche weder lesen noch schreiben konnte. Nachdem die Seuche hier so arg gewütet hatte, blieb das Kloster durch sechzehn Jahre fast ganz verödet. — Weil täglich so viele Menschen starben, hatte man keine Zeit mehr, Särge zu machen. Man legte die Leichen, wie man sie fand, auf einen kleinen Wagen und führte sie hinaus, Damit aber die Leute nicht erschraken, wenn der Karren kam, wurden die Räder mit Tüchern umwickelt, daß er ganz still durch die Straßen geschoben werden konnte. Dieser Karren wurde noch lange nachher gezeigt und hieß der „Pestkarren".

Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 322, S. 186