388. Der Reiter auf feurigem Roß
Auf der Sölleralpe am Söllereck bei Oberstdorf im kleinen Walsertal hütete vor Zeiten ein Hirte; der war in seinem Dienste recht gleichgiltig und sah wenig auf seiner Herren Sach und Vieh, ja einmal sprengte er aus reinem Mutwillen ein Roß so zwischen zwei Felsen, daß es weder vor noch zurück konnte und, weil sich der Hirte seiner nicht mehr annahm, zugrunde ging. Zur Strafe mußte der gewissenlose Hirte nach seinem Tode geisten. Man sah ihn viele Jahre lang auf einem feurigen Roß in der Alpe herumreiten und hörte ihn kläglich rufen: "Wo kann es heraus, wo kann es heraus?" Als endlich der eigentliche Sachverhalt offenbar geworden, ersetzten des Hirten Anverwandte im Walsertal den Schaden und stifteten sogar ein großes wächsernes Roß ins Kloster nach Mittelberg. Da war der Geist erlöst.
Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 388, S. 219