69. Die Stallhexe
Einmal hörte eine Bäuerin Lärm im Stall. Als sie nachsehen ging, fand sie zwei Kühe in einer Hälse (Halskette) angebunden. Nachbarsleute, die in Amerika gewesen waren und dort viel gesehen und gelernt hatten, gaben dem Weib den Rat, sie solle die Milch, die die beiden Kühe in zwei Tagen gäben, in eine Flasche schütten und die fest zustopfen. Sie dürfe auch in der Zeit niemand etwas schenken und sei es, wer immer es wolle.
Die Frau versprach, nach dem Rat zu handeln, als aber am zweiten Tag eine Nachbarin kam und bettelte, sie möge doch so gut sein und ihr schnell ein bißchen Mehl geben, weil sie schon am Kochen sei und nicht mehr bis zum Laden laufen könne, um das Mangelnde zu kaufen. Die Bäuerin tat der Nachbarin schließlich den Gefallen. Da hörte man aus der Stube auf einmal einen Knall; der Stöpsel war von der Flasche weggeflogen.
Als die Amerikaner nach den zwei Tagen wieder kamen und fragten, ob sie auch wirklich niemand etwas gegeben habe und ob sie um nichts gebeten worden sei, da erzählte das Weib vom Besuch der Nachbarin. Die andern sagten nur, wenn sie der Frau nichts gegeben hätte, dann hätte es diese selbst zerrissen, so aber sei nur der Stöpsel von der Flasche getrieben worden.
Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 69, S. 59