591. Sterne und Sternbilder
Wie für die seefahrenden Völker des Altertums, so hatte der gestirnte Himmel auch für die einsam lebenden Sennen und Hirten eine große Bedeutung, solange die Uhren noch nicht aIlgemein verbreitet waren. Während heutzutage viele keinen einzigen Stern mehr kennen, gab es früher noch manche Bauern, die sogar eigene Namen für Sternbilder hatten. So z. B. wurde wohl das Sternbild der Cassiopeia "die drei Stäbe" genannt. Nach dem Stande dieser Stäbe bestimmten die Leute in früher Morgenstunde die Zeit mit ziemlicher Genauigkeit. Ein anderes Sternbild hieß „der Meister und der Knecht". Vor einem Jahre, in dem der Meister dem Knecht nachfolgte, sagte man, daß dieses ein gutes sei. Dann aber müsse der Große dem Kleinen zu Willen sein, im ändern FaIll war es umgekehrt. Ein heller Stern, der von einer Anzahl von kleineren umgeben war, hieß die „Gluckhenne", weil die kleinen Sternlein mit dem größeren über die Himmelswiese dahin wandeln wie die Küchlein, die mit ihrer Mutter über die Wiese wandern.
Sah man einen Stern fahren — so nennt man den Sternschnuppenfall — so hielt man dies mancherorts für ein böses Vorzeichen; jemanden aus der Verwandtschaft sollte das Lebenslicht ausgelöscht werden, wie das Licht des Sternes erlosch. Das war eben sein Stern gewesen. Jeder Mensch hat seinen eigenen Stern am Himmel. Andere wieder nehmen es nicht so tragisch, wenn sie einen fahrenden Stern erblicken, sondern sie suchen so schnell als möglich drei Wünsche zu tun, weil alle drei erfüllt würden, wenn sie gemacht wären, bis der Stern nicht mehr gesehen wird. Schon viele haben den ersten getan, aber zum zweiten und dritten sind die meisten zu spät gekommen. Wenigstens weiß niemand einen zu nennen, dem diese Wünsche erfüllt worden wären.
Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 591, S. 310f