377. Ein Stock im Weg

Ein vorwitziger Fontaneller wollte genau wissen, was denn eigentlich das Nachtvolk sei. So ging er aus lauter Wunderwitz zur rechten Zeit und Stunde ganz allein ins Tobel hinein, stellte sich nah am Bach an einem Tannenstocke auf und wartete. Bald hörte er schöne Musik von oben herab, vermischt mit einem Heidenlärm. Wilde Gestalten kamen durchs Tobel herab von aller Art und Gewandung. Zuletzt kam eine Köchin mit allerhand Küchengeschirr und einem Kochlöffel im Hintern. Als der Wunderwitz das sah, tat er unwillkürlich einen hellen Lacher. Darauf rief eine laute Stimme: „Es ist ein Stock im Wege! N., nur flink, schlag das Beil hinein!" Im gleichen Augenblick empfand der Zuschauer große Schmerzen in einer Wade. Er lief heim, die Schmerzen steigerten sich, die Ärzte wußten keine Hilfe, nur der Ortspfarrer fand Rat. Er sagte: „Man sieht dem Fuße gar nichts an, das Leiden ist unnatürlich gekommen und muß auch auf unnatürliche Weise wieder gehen. Stell dich am Jahrestag zur gleichen Nachtstunde an den nämlichen Platz und warte, bis das Nachtvolk kommt. Das ist mein Rat!" Der Mann tat so und wurde geheilt. Als das Nachtvolk durchs Grattobel herunter sich ihm näherte, hörte er den Ruf: „N., nimm das Beil mit, das du im letzten Jahre da in den Stock geschlagen hast!" Im selben Augenblick waren die Schmerzen weg. Aber vom Nachtvolk hatte der Wunderwitz von da an genug.

Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 377, S. 214f