189. Des Emser Tiergartens letzte Bewohner

Noch heute heißt der ebene Platz zwischen dem Schloßberg und der sogenannten Mur der Tiergarten. Es sind noch Reste jener Mauer erhalten, welche sich mehrere hundert Meter weit in gerader Linie erstreckte und den Wildgarten der alten Emser Grafen umschloß. Inmitten dieses Grundstückes war früher ein Weiher, der jetzt eingetrocknet ist. Als die Grafen ausgestorben und der Besitz an weibliche Nachkommen übergegangen war, die sich meist in Bistrau in Böhmen aufhielten, ging der Wildstand des Tiergartens zur Neige.

Zuletzt war nur mehr ein Bär und ein Hirsch vorhanden. Dem Bären brachten die Leute Katzen und andere Tiere, die sie los sein wollten, zum Fräße. Am Abhang des Schloßgartens war eine altersmorsche Tanne, die sich schon stark abwärts neigte. Dorthin flüchtete einmal eine Katze und der Bär kletterte ihr nach. Allein eine so schwere Last vermochte der Baum nicht zu tragen. Er stürzte mitsamt dem Bären, der sich den Rücken brach. Jetzt war nur mehr der Hirsch übrig, durch den der Pächter viel Schaden erlitt. Da das Tier nicht gejagt wurde, war es nicht scheu und tat sich in den schönsten Wiesen umher gütlich. Als nun einmal die Gräfin in Hohenems weilte, meldete der Pächter, der Hirsch sei krank und möge nicht mehr fressen. Er erhielt den Auftrag, das Tier zu erschießen. So war er auch den Hirsch los geworden.


Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 189, S. 117