543. Veltliner Wein
Mehrere Sanktgallenkirchner, die als Verputzer und Gipser über den Sommer ins Frankreich gewandert waren, saßen an einem Sonntagnachmittag beieinander und schwätzten von diesem und jenem, auch manches von ihrem Montavon [Montafon]. Wie sie so redeten und dabei dem Durst abhalfen, verspürte einer Glust auf Veltliner, wie ihn der Adlerwirt von St. Gallenkirch im Keller hatte. „Möchtest davon?" fragt ein anderer. Der lacht: „Jawohl, wenn ich grad haben könnt!" Da meint der andere: „Wenn das Faß noch gleich liegt wie im Winter, so kann ich dir schon Veltliner verschaffen." Er nimmt sein Sackmesser, sticht die Stahlnadel in die Wand, hält eine Flasche darunter und zieht es dann wieder heraus. Und schau! Da rinnt Wein aus dem Löchlein! Voll Neugier versuchen sie; es ist der beste Veltliner.
Im Auftrage dieses Hexenmeisters mußte einer dem Adlerwirt nach der Rückkehr den abgezogenen Wein bezahlen. Der Wirt wollte davon nichts wissen, nahm das Geld aber schließlich doch.
Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 543, S. 291