576. Der Grenzlauf im Vermunt
Bei der Teilung des Vermunttales soll es so zugegangen sein: Die beiden Eigentümer, Gaschurner und Steinsberger, vereinbarten, daß von jeder Seite aus beim ersten Hahnenschrei ein Bote aufbrechen solle. Wo sie sich träfen, sollte die Grenze sein. Da war im Engadin ein altes Weible, das riet, den Hahn tags zuvor gar nicht zu füttern und so krähte er schon am Abend um neune. Der Steinsberger machte sich flugs auf den Weg und kam bis nach Meß hinter dem Bellamaises. Als der Gaschurner ankam, der erst am Morgen aufgebrochen war, hatte der andere schon zwei große Kreuze in einen Stein eingehauen, die heute noch die Mark bilden. So erhielten die Engadiner den größten Teil der Alpen bis weit ins österreichische hinab. Dem Steuerdistrikt nach gehört das Vermunt zu Gaschurn, das Nutzungsrecht aber haben die Engadiner. Die wichtigsten Plätze im Vermunttal sind: Maisesle, Hochgliger, Brantweinkopf, Galthütte, Madlenerhaus, Großes Ried, Steinernes Haus, Bieler Höhe. An den meisten dieser Plätze stehen heute noch Überreste von Gebäulichkeiten. Meß und Bellamaises sind am rechten Illufer unterhalb der Höll mit den Wasserfällen und unter der Kardatscha.
Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 576, S. 303