398. Das Walsermännle
Die Bader [Baader?] Chronik überliefert: „Er (Kaplan Betrich) gab sich während seines Hierseins viele Mühe, das sogenannte Walser Mandel von den Grenzen des Bades zu bringen. Es meldete sich dieses schon gegen Ausgang des 1772er Jahres im Straußberg, der Pfarre Riezlern, bei einer Witwe Katharina Elsäßerin. Es nahm ihr die Milch im Stall, das Mus auf dem Tische, verhinderte die Hausgenossen im Arbeiten. War einem einzigen Sohn sichtbar, mit dem es oft scherzte. Herr Groll, damaliger Pfarrer, brachte es weiter. Es ließ sich von vielen mit Murmeln, Pfeifen, Patschen etc. hören, von niemand sehen. Christoph Bader, vormals lange Zeit unerschrockener preußischer Soldat, hörte es auf der Straße zischen und ein anderer vermerkte es darauf mit solcher Schwere auf seinem sonst leeren Schlitten liegen, daß er ihn kaum mehr von der Stelle zu bringen vermochte. Es meldete sich 1773 in der Fasten bei Viktorinus Müller in Bödmen das erste Mal mit Zuschlagen eines Stubenladens. Den folgenden schlug es zwei-, den dritten drei-, endlich alle auf einmal miteinander zu. Viktorinus sputete sich allemal, flugs vor das Haus zu kommen, fand aber nie die mindeste Spur, obgleich es frisch geschneit hatte. Nur einmal sah er die Form einer Hand in den Schnee geschlagen. Es wagte sich von den Läden zu den Fenstern, tat die Läufer auf und zu, während alle in der Stube waren, und doch wurde außer der Bewegung nichts gesehen. Es langte durch das Fenster hinein, klopfte einer Tochter des Hauses auf die Achsel, daß es alle die gegenwärtigen Personen hören, doch nicht sehen konnten. Es packte an einem Abend das Beitelkind, welches sie schon mehrere Jahre ernährt und vollkommen zu erziehen entschlossen waren, unbarmherzig an, verkrümmte, umwarfe, verunstaltete es dermaßen, daß es wegen zerrauften Haaren, bleichem Angesicht, eingefallenen Augen, mehr einer Leiche als einem Menschen glich. Es entstand dabei ein entsetzliches Zetergeschrei, dem eines abgestochenen Schweines nicht unähnlich, auch ein solches Gepolter, daß das ganze Haus erschüttert wurde. Einmal schlug es ein ganzes Fenster ein. Zuweilen wußte es die Scherben so zu zersplittern, daß eine Scheibe mehr denn hundert Stücklein gab, ohne daß jedoch ein Sfecknadelkopf groß derselben aus dem Blei fiel. Der unwerte Gast verfolgte das Kind schier beständig; bald warf er es zu Boden, bald zog er es unter einen Kasten, Trog etc., er plagte es sogar in dem Bett. Ja, er wagte sich schon an die, bei welcher das Kind lag. Er zwickte die Haut und verzerrte ihre am selben Abend neu geflochtenen Zöpfe so, daß kein Haar beim ändern blieb. Nach Verlauf eines halben Jahres wurde er freundlicher. Er ließ mit Gewalttätigkeiten nach, fing auch zu reden an. Er hatte anfangs eine grausliche, bald aber die Stimme eines Kindes. Man hörte es, ohne am Kind die mindeste Bewegung der Lippen zu bemerken. Er erzählte verschiedenes aus abgelegenen Häusern. Fast jedes Wort wäre fähig gewesen, Zwietracht zwischen Freunden zu stiften. Er zeigte nach und nach auch eine Freude an raupischen Reden und Gesängen und ließ sich fast allzeit hören, nur die Exorzisten, unter denen der Herr Pfarrer, dann ein Kapuziner, sowie Herr Rützler und Herr Betrich waren, konnten kein Zeichen von ihm erhalten. Sobald sie dem Haus den Rücken kehrten, fing es sie zu spotten und lästern an. Den Neugierigen war unser kleiner Walser niemals hold. Er schickte sie gewöhnlich mit kräftigen Ohrfeigen und empfindlichen Stößen nach Hause. Er trieb seine verdrießlichen Spaße nicht nur im Hause in Bödmen, sondern begleitete das Kind in die Gunschau (den Auszug in die Sommeralpe) und fast an alle Orte. Das Kind sah ihn aber allein in Gestalt eines verzwergten Bettlers. Es wurde von ihm allzeit beredet, daß es das Nährhaus verlassen solle; auch die Hausleute hörten vielmals sagen, sie müssen das Kind entlassen, es sei ansehnlich und tauge in eine verführerische Gesellschaft. Die leiblichen Eltern kamen auch öfters, wollten das Kind mitnehmen, da es ihnen aber aus guter Absicht immer abgeschlagen wurde, forderten sie es mit Ungestüm, worauf es ihnen auf Anraten vernünftiger Leute überlassen wurde und so dem fast zwei Jahre dauernden Ungemache ein Ende verschafft wurde."
Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 398, S. 224f