164. Der Zauberspiegel
Wenn man einen Spiegel kauft, beim Kaufe aber nicht hineinschaut und auch nicht marktet und diesen Spiegel zu Weihnachten auf dem Friedhof vergräbt und ihn in der hl. Nacht zwischen elf und zwölf ausgräbt, kann man mit diesem Spiegel alles sehen, was man will, doch muß der erste, der hineinschaut, auf der Stelle sterben. Wenn's nicht grad um Weihnachten ist und man doch einen solchen Spiegel haben will, kann man's auch anders machen, nur ist es etwas schwerer: Man sucht einen Kreuzweg, über den von allen Richtungen Leichen getragen werden. Dann vergräbt man den Spiegel ohne ihn anzusehen und ohne ein Wort zu sprechen und nach drei Tagen gräbt man ihn zwischen elf und zwölf wieder aus. Da hat's einer einmal schlau angefangen. Er hielt einen solchen Spiegel zuerst einem Schwein hin, das er sogleich schlachtete und so war er nicht mehr das erste, das hineinblickte und er konnte sehen, was er wollte.
Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 164, S. 104