DAS GOLDENE ZEITALTER
Der Damülser klagt. "Wir wohnen sieben Stunden hinter Gotterbarm, und der Ort heißt Elend." In alter Zeit aber war es ganz anders; das Klima war mild und der Boden fruchtbar. Das beweist eine vor nicht gar langer Zeit abgebrochene Dreschtenne. Heute will nicht einmal mehr in den niederen, noch bewohnten Höfen oder Heimaten Gerste oder eine andere Kornart gedeihen. Die Sage geht, daß selbst am hohen Trista über Uga Weinreben gepflanzt worden seien, während jetzt ihn eine rauhe Alp umgibt. In der Bergalp heißt ein Platz "Bim Würtshus", weil dort ein Wirtshaus gestanden haben soll, von dem man noch Überbleibsel sieht. Allenthalben im Lande wurde ehedem weit in das Hochgebirge hinauf Getreide gebaut. Damals hat jeder Kornhalm drei, vier und noch mehr Ahren getragen, und zwar so volle, daß sie bis auf den Boden hingen. Damals freilich hat man von einer Teuerung nichts gewußt, und Leute und Vögel hatten genug zu essen und zu picken. Aber die Menschen sind mit der schönen Gabe Gottes nicht ordentlich umgegangen. Da streute. ein Knecht mit Ahrenbüscheln dem Vieh, dort fachte eine Magd damit Feuer an, und Drescher und Müller verschütteten und verzetteten die Körner starweise. Das Gebaren ist dem guten Vater im Himmel schließlich zu arg geworden. Er ging und machte, daß von derselben Zeit an ein jeder Halm nur eine einzige Ahre trug. Und seither ist Teuerung in das Land gekommen und sind Kornschulden angewachsen.
Quelle: Die Sagen Vorarlbergs. Mit Beiträgen
aus Liechtenstein, Franz Josef Vonbun, Nr. 46, Seite 73