243. In Levis und beim Schlößchen Amberg

In Levis an der Reichsstraße steht das Magdalenenkirchlein, eine der ältesten Kirchen des Landes, und daneben das ehemalige Siechenhaus, das wohl schon Ende des dreizehnten Jahrhunderts zugleich mit dem Kirchlein erbaut worden ist. Ein Fuhrmann, der dort wohnte, sah in der Nacht oft einen Geist um die Marken herumgehen. Einmal erblickte er ihn wieder, als er noch spät die Pferde fütterte, und er fragte sich in Gedanken, wie er ihn wohl erlösen könnte. Wie wenn der Geist dies gewußt hätte, erschien er augenblicklich im Stall und sagte, er solle ihm nur die Hand reichen, dann sei er schon erlöst. Als der Mann die feurige Hand des Geistes erblickte, nahm er einen Span und reichte ihm den hin. Da war er erlöst. Doch im Holze sah man deutlich die Spuren der fünf Finger.

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Beim Bildstöckle in Levis, in der Nähe vom Siechenhaus, war oft eine schwarze Katze, die auf die Leute sprang und im Springen so groß wurde wie ein mittlerer Hund.

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Auf einer Anhöhe bei Levis steht das alte Schlößlein Amberg. Seine früheren Einwohner wußten von Geistern zu erzählen, die dort hausten. So hörten sie vom obern Saale, der fast ganz leer war, oft starkes Gepalter. Einmal, als es in Feldkirch brannte, wollten sie von dort oben aus den hohen Fenstern nach dem Städtchen schauen; aber die Saaltür war nicht aufzubringen, der ganze Raum war voll Hausrat. Also hatten hier die Geister ihren Wohnsitz aufgeschlagen.

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Zu einem kleinen Mädchen auf Amberg kam einst ein kriegerisch gekleideter Mann, der einen Spaten bei sich hatte, und forderte es auf, mit ihm zu gehen. Als es nicht gehorchte, kam er noch ein zweites und ein drittes Mal mit derselben Bitte; offenbar wollte er ihm einen Schatz zeigen.

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In einer schönen Sommernacht hatten einige Burschen Lust, in einem Heuschober nahe beim Schlößchen zu schlafen. Aber plötzlich kamen dort aus dem Walde heraus Roß und Wagen und jagten unter Lärmen und Hasten dahin. Nun mochten die Burschen nicht mehr im Freien nächtigen und suchten lieber ein sicheres Dach auf.

Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 243, S. 142