Die Wette um eine Geiß
Vor vielen Jahren, als im Kreis junger Leute auch von Butz und Dämonen Gespräche geführt wurden und dabei zwischen Sagen, Wahrheit und Dichtung Zweifel geäußert wurden, wurde auch kurzerhand eine Wette vereinbart. Es wurde abgesprochen: „Eine junge Geiß gewinnt derjenige, der heute noch, bei Vollmond, aus dem Senntum am Staffel beim See das Scheidbrett aus dem Butterkübel holt und zum Beweis hier in der Gaststube vorzeigt!“
Ein junger Mann glaubte die Wette zu gewinnen und machte sich auf den Weg. Eineinhalb Stund hin und eine Stund wieder zurück, war ein schöner nächtlicher Gang. Zur Sicherheit holte er sich von daheim seinen Hofhund, das Vorderladergewehr und nahm auch eine Schnitte Agathabrot (geweihtes Brot) mit. Wahrscheinlich war ihm doch nicht wohl zumute, als er die öde Alphütte bei Nacht betreten mußte.
Als er nun im Sennraum stand, hörte der junge Mann eine fremde Stimme, die ihm erklärte: „Hättest du nicht den Grambeiß, den Feuerbeiß bei dir, und nicht das Stück Gerstenbrot, du würdest die Zeitgeiß nicht gewinnen!“
Voll Schreck und Beteuern seines Erlebnisses konnte er dann noch am selben Abend das Scheidbrett vorzeigen. Und damit war die Geiß gewonnen.
Quelle: Johann Gantner, Alte Sagen aus der Alpwirtschaft am Spullersee, in: Vorarlberger Volkskalender, 1981, S. 120, zit. nach Sagen aus Vorarlberg, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 167