DER WECHSELBALG
Es war in einem Dorf in Vorarlberg. Eine Mutter hatte viel Arbeit auf dem Feld. Sie nahm drum ihr Kind mit, legte es in der Nähe des Ackers an einen schattigen Ort und ging ihrer Arbeit nach. Als sie wacker geschafft hatte und endlich fertig war, sah sie sich wieder um nach ihrem Kind. Wie erschrak die arme Mutter, als sie für ihr eigenes schönes Kind ein fremdes in dem Kissen erblickte, mit einem langen Leib wie eine Spindel und einem großen dicken Kopf. Leid und ungern trug sie das wüste Kind mit nach Haus und ernährte es wie ihr eigenes sieben Jahre lang. Da aber dies Wesen in der ganzen Zeit keinen Laut von sich gab, ward die Frau nachdenklich und sie erzählte die ganze Sache dem Pfarrer. Der gab ihr diesen Rar: soviel Eierschalen, als sie im Hause nur auftreibe, solle sie zusammentun und vor das Kind auf den Herd legen, wenn es schlafe. Sobald es erwache und beim Anblick der Eierschalen in laute Verwunderung ausbreche, solle die Frau eilends aus dem Versteck hinzulaufen und das Kind mit einer Rute schlagen; auf die Weise könne sie wieder zu ihrem eigenen Kinde kommen. Die Frau tat nach dem Rat des Pfarrers, legte einen Haufen Eierschalen auf den Herd vor das schlafende Kind und versteckte sich in der Küche. Wie das sonderbare Geschöpf erwachte und die vielen Schalen erblickte, rief es voll Staunen aus:
"I bin so alt as Bühlerwald,
Nünmol ghackt und wieder Wald;
Aber so viel Hifele, Häfele
Hon i jetz noch nia gseh."
Das Kind dies sagen und die Frau herbeilaufen und mit der Rute zuschlagen
war eins. Da erschien auf einmal ein altes Weib mit einem Kind in der
Küche und jammerte: "Sieben Jahre schon hab ich dein Kind gepflegt
und hab ihm nie etwas zuleid getan, und du schlägst mein Kind so
unbarmherzig." Darauf nahm die Alte ihr wüstes Kind, ging weg
und ließ der Mutter das mitgebrachte rechte Kind zurück, das
schon bedeutend herangewachsen war.
Quelle: Die Sagen Vorarlbergs. Mit Beiträgen
aus Liechtenstein, Franz Josef Vonbun, Nr. 178, Seite 140