VOM ALPHIRT UND DEM WEIßEN ROß
In Lustenau erzählt man: Es war ein Hirt auf einer Galtalpe und weidete dort seine jungen Stiere. Einer hatte es darauf abgesehen, immer über den Alpzaun zu steigen und auf die Felsen zu klettern. Als ihm der Hirtenbub das nicht zu verwehren imstande war, streute er ihm einmal geschälte Rinden auf den Weg, damit er, darauf tretend, in die Tiefe stürze und so die anderen nicht mehr auf den gefährlichen Weg verlocke. Wie nun der Stier kommt, tritt er auf die Rinden und stürzt nieder. Er will zurück, vermag es aber nicht, weil es zu glatt ist. Da fällt er auf die Knie nieder und fleht den Hirtenbuben an, er möge ihn zurücklassen. Aber er muß hinüber und stürzt in die Tiefe. Von der Zeit an war dem Hirtenbuben nicht mehr wohl sein Leben lang und bald mußte er sterben. Seitdem aber der Stier so elend umgekommen, sieht man oft einen Schimmel in den Zundern herumsteigen und sich dann in die Tiefe hinabstürzen. Dabei hört man jedesmal ein starkes seltsames Pfeifen oder so einen Ton, wie wenn es stark regnet. Oft ist es kein Schimmel, sondern ein Mönch oder ein Pudel.
Quelle: Die Sagen Vorarlbergs. Mit Beiträgen
aus Liechtenstein, Franz Josef Vonbun, Nr. 59, Seite 80