DIE RUTSCHIFENGGEN ZU BRAZ
Vor vielen Jahren haben im Klostertal die Rutschifenggen gehaust. Das waren kleine, kleine Leutlein in rotem Gewand, Männlein und Weiblein, die hatten ihre Wohnungen in Höhlen, die hieß man Rutschifenggenlöcher, und ihre Tische und Bänke und all ihr Küchengeschirr waren künstlich aus Marmelstein gehauen. Einen Hauptplatz hatten diese Leute im Rutschifenggenloch über dem Dorfe Braz. Dort ist noch heute eine große Felsenhöhle mit weitem, buschumwachsenem Eingang. Aus der Höhle stiegen die Fenggen bisweilen auf die Oberwelt in das liebe Sonnenlicht und hängten blustweiße Wäsche zum Trocknen aus, oder sie kamen zur Zeit der Heuernte auf Wiesen und Halden und halfen den Brazern mähen und rechen, und die Arbeit ging ihnen zum Staunen flink von Händen; und wenn sie auch den ganzen lieben Tag unverdrossen gearbeitet hatten, wollten sie abends doch nie einen Taglohn annehmen. Von Zeit zu Zeit unternahmen diese kleinen rothääßigen Leut auch Züge durch den Flechsen auf den Tannberg und über den Arlberg nach Tirol. Seit ungefähr vier Menschenaltern gibt es keine Rutschifenggen mehr.
Quelle: Die Sagen Vorarlbergs. Mit Beiträgen
aus Liechtenstein, Franz Josef Vonbun, Nr. 149, Seite 125