DAS MAHRENNEST

Einmal ist in Winsau, beim Guckähne-Hof, wo man von der Sonnenhalde auf den See hinaussieht, wo die alten Bäume standen und die Quelle in der Mulde entspringt, ein großes, schönes Mahrennest gewesen. Es war ein Heiligtum und alles Wertvolle lag dort geborgen.

Beim Mahrennest versammelten sich die Winsauer und war dies auch der Ort, der als Schutz- und Trutzstätte galt. Dort habe man alles bekommen, was man sich nur wünschen mochte, soweit es dem Rechte und den Sitten nicht zuwider war.

Das ging solange, bis die Winsauer zu Tal zogen und abwärts hausten. Als sie aus der Art schlugen, verschwand die ganze Herrlichkeit und kein Weinen und Jammern konnte mehr helfen. Das Nest blieb leer und die Winsauer fanden nicht mehr zusammen. Damals sagten die Alten, wenn die Winsauer wieder tun würden, wie es immer Art und Sitte war, dann werde es wieder besser werden.

Als dann die Leute wieder besser wurden, kamen auch die Mehrboten und haben Gutes gebracht. Die Obstbäume gediehen und die Kirschen reiften.

Den Ort, wo das Mahrennest lag, kann man noch immer erkennen, denn dort blühen heute noch die ersten Frühlingsblumen. Wer das erste Blümlein mit den weißen und goldenen Blüten dort findet, dem ist es vergönnt, auch wieder einen Wunsch zu tun, wie damals, als das Nest noch nicht leer war.


Quelle: Walter Weinzierl, Sagen aus Dornbirn, Dornbirn 1968, S. 45