Der Brunnen vom "Schottenhof" zu Ottakring
Zur Zeit des "Alten Wiens" also bevor es zur ersten und in weiterer Folge zur zweiten Stadterweiterung des damaligen Wiengebietes, welches in etwa der Fläche des heutigen ersten Bezirkes entsprochen hätte, gekommen war ist der heutige 16. Bezirk, Ottakring, eine schwach besiedelte Fläche mit einem kleinen Ortskern gewesen. Die Menschen lebten hier vorwiegend von der Milchwirtschaft und landwirtschaftlichen Produkten, wie auch dem Weinbau. Ein weiteres Zentrum des Ortes war der romantische etwas außerhalb gelegene Freihof, welcher später als Kloster diente, gewesen. Leider wurde dieses wuchtige, letzte wirklich historische Bauwerk auf Ottakringer Boden 1961/62 abgebrochen und durch eine schmucklose Wohnhausanlage ersetzt.
Da das ehemalige Kloster einst auch dem Orden der "Schotten" als Heimstätte diente trug das Gebäude mit seinen großen Höfen zuletzt die Bezeichnung "Schottenhof".
Die in der eigenen Landwirtschaft produzierten Produkte, welche den Eigenbedarf überschritten, wurden verkauft und so wurde auch Milch bis in die Stadt hinein geliefert. Da der "Schottenhof" am Fuße des Wilhelminen-, bzw. Gallitzinberges, einem Ausläufer des "Kahlenbergergebirges", ja soweit läuft dieser Bergzug, gelegen war, kam auch gutes Wasser vom angrenzenden Wienerwald bis hin zum Schottenhof. Während viele andere Brunnen, wegen der fehlenden Kanalisation und der Viehwirtschaft, im Ortsgebiet kein einwandfreies Wasser mehr lieferten, hier war es tadellos.
Deshalb hatten sich hier alle in der Nähe befindliche Wassergeister, wie Nymphen, Elfen und Kobolde angesiedelt, außer natürlich den Nixen, welche bekanntlich fließendes Gewässer als Wohnort bevorzugen.
Der Milchhändler, welcher die zum Verkauf bestimmte Milch abholte
hatte zu Hause eine schwer kranke Tochter.
Das einst wunderschöne, lebhafte Mädchen lag schon lange in
seinen Bett und konnte sich kaum mehr erheben, so geschwächt war
es. Der Milchhändler hatte schon all sein Geld für die besten
Ärzte der damaligen Zeit ausgegeben, hatte Schulden gemacht und trotzdem
war für das Mädchen keine Hoffnung auf Besserung in Sicht. Ja,
eine Verschlechterung war zu erwarten weil ihm niemand mehr Geld borgen
wollte und kein Arzt ohne Honorar zu seiner Tochter kam.
So fasste er den Entschluss, seine Milchgefäße welche nicht ganz voll waren, mit Wasser von dem Brunnen aufzufüllen um mit der gepanschten Milch einen größeren Erlös zu erzielen. Trotzdem es schon später Abend und entsprechend finster war und er sich deshalb unbeobachtet glaubte wurde er dabei gesehen. Denn bekanntlich scheuen die guten, wie auch die bösen, Wassergeister üblicherweise den Kontakt zu den Menschen und bevorzugen bei ihren Ausgängen den Schutz der Nacht.
Und so empörten sich die Zuseher ob der frevelhaften, betrügerischen Tat des Mannes und die anwesenden Kobolde bohrten kleine Löchlein in die Behälter und brachten so die ganze gewässerte Milch zum Auslaufen. Da setzte sich der Mann wegen seines Schicksals weinend und wehklagend am Brunnenrand nieder. Dies wiederum erweckte das Mitleid der anwesenden Elfen und so zeigte sich die Mutigeste von ihnen dem betrübten Mann. Als dieser seine ganze Geschichte zu Gehör gebracht hatte, wurde sofort der gesamte Elfenrat einberufen um Rat und Hilfe einzuleiten. Ja selbst die Kobolde bedauerten ihren Streich, versiegelten die Löchlein in den Milchbehältern, fassten die ausgeflossene Milch in kleinen Eimerchen zusammen wobei sie diese gleichzeitig von dem beigefügten Wasser trennten und in ihre ursprüngliche Güte zurückführten.
Die Elfen aber begannen plötzlich um den Mann herum zu schwirren, schlugen aufgeregt mit ihren zarten durchsichtigen Flügelchen und lachten dabei.
Die Elfenkönigin dieses kleinen Hofstaates selbst hieß aber den Milchhändler mit frohem Mut in sein Heim zurückzukehren, nicht aber ohne vorher einen Becher mit dem Brunnenwasser zu füllen, um diesen zu Hause seinem schwerkranken Kinde zu trinken zu geben.
Dieser tat wie ihm geheißen und es geschah ein kleines Wunder. Das Mädchen gesundete in wenigen Tagen und wuchs zu einer tüchtigen, lebensfrohen jungen Frau heran.
Ob es noch andere Wunder um diesen geheimnisvollen Brunnen gegeben hat, ist nicht überliefert.
Wiederholen kann sich diese Geschichte leider nicht. Denn wie schon Anfangs angeführt wurde der "Schottenhof" abgerissen und der Brunnen dabei verschüttet.
Die Kobolde und Elfen aber haben sich wegen soviel Unverständnis
der Menschen weit weit weg in den tiefsten Wienerwald zurück gezogen
und scheuen mehr denn je den Kontakt zu den Menschen.
Quelle: Ferry Kovarik, nach historischen Qellen neu nacherzählt, Emailzusendung vom 27. Mai 2005