Unschuldig
In der Elisabethinenkirche auf der Landstraße steht in der Kapelle
eine Statue, die Christus an der Geißelsäule darstellt. Das
Merkwürdige daran ist, daß der gemarterte Heiland eine schwere
Eisenkette trägt. Davon
erzählen sich die Schwestern des Klosters, zu dem die Kirche gehört,
folgende Geschichte:
Einstmals war in Wien ein Mann bei Gericht verklagt. Er sollte ein schweres Verbrechen begangen haben. Obwohl er vor dem Richter seine Unschuld mit bewegten Worten beteuerte, sagten die Zeugen doch gegen ihn aus. So wurde er zum Tode durch den Strang verurteilt.
An Händen und Füßen mit schweren Eisenketten gefesselt, so mußte er seinen letzten Gang zur Richtstätte vor der Stadt antreten. Der Weg führte an der Elisabethinenkirche vorbei. Als der Verurteilte das offene Fenster der Kapelle sah, bat er die strengen Richter, sie möchten ihm doch erlauben, ein kurzes Gebet in der Kirche zu verrichten. Diese Bitte konnten sie ihm wirklich nicht abschlagen. Der Unglückliche betrat die Kapelle und kniete vor der Statue des leidenden Heilandes nieder. Inständig bat er, Gott möge doch den Menschen seine Unschuld durch ein Wunder beweisen. Das fromme Gebet des armen Verurteilten wurde augenblicklich erhört. Seine Ketten lösten sich und fielen klirrend zu Boden.
Nun waren auch die Richter von seiner Unschuld überzeugt und schenkten ihm das Leben und die Freiheit wieder.
Der Glückliche aber opferte die Ketten in der Kapelle zum Dank für seine wunderbare Errettung vor dem sicheren Tod. Man kann sie noch heute dort sehen.
Quelle: Wien in Sage
und Legende, Zens, Klemens, Wien 1955
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