Der ehrliche Postsparkassendiener
In Wien ereignete sich am 9. März 1903 mittags folgender Fall: Einem Mädchen, das aus dem Postsparkassenamt heraustrat, fiel eine 100-Kronen-Note aus der Tasche seines Kleides auf den Boden. Ein junger Mann, der vorüberging, hob blitzschnell die Geldnote auf und machte sich eiligst davon. Doch waren noch zwei andere Augenzeugen, die das Herabfallen der Geldnote bemerkt hatten; der eine Augenzeuge war unredlich, der andere redlich. Der unredliche Augenzeuge lief dem Finder sogleich nach und forderte ihn auf, mit ihm das Geld zu teilen. Der unehrliche Finder fügte sich endlich nach langem Widerstreben. Beide gingen hierauf in eine Tabaktrafik, um das Geld zu wechseln. Doch der zweite ehrliche Augenzeuge - es war ein Postsparkassendiener - war beiden Leuten in unauffälliger Weise nachgegangen und hatte den ganzen Vorgang aus der Ferne beobachtet. Als er sah, daß die beiden Leute in den Tabakverschleiß hineingingen, rief er rasch einen Polizisten und erzählte ihm den Vorfall. Der Polizist stellte sich nun vor den Verkaufsladen, und als die beiden nach Teilung des Geldes herauskamen, erklärte er sie für verhaftet.
Quelle: Spirago, Franz, Beispiel-Sammlung für
das christliche Volk, Prag 1918, Nr. 1040