Wie die Hohe Pforte den Krieg erklärt

Wenn der Großsultan den Krieg beschlossen hat, so läßt der Janitscharenaga diesen Entschluß der Hohen Pforte unter Trompetenschall bekannt machen. Sogleich wird in der ganzen Stadt von nichts als Krieg gesprochen, und man singt im voraus Siegeslieder zum Lobe des Kaisers. Alle Künstler und Handwerker sind verbunden, an diesem Tage dem Kaiser ein Geschenk zu machen, und hiermit endigen sich die Feierlichkeiten des ersten Tages. Am folgenden Tage halten die Türken, welche ihre Geschenke gebracht, eine Prozession durch die vornehmsten Straßen der Stadt, welche in folgender Ordnung geschieht: Zuerst reitet ein Effendi auf einem köstlich gezierten Kamel und liest mit lauter Stimme Stellen aus dem Acoran, wozwischen ein Trupp junger Leute, die ihn begleiten, Lobgesänge singt. Hierauf folgt ein Mann zu Fuße, der größte, den man finden kann, mit Laub bedeckt, einen Landmann, der sein Feld besät, nachahmend. Ihn begleiten verschiedene Bauern, welche Kornähren und Sicheln tragen. Dann folgt eine Karre von Ochsen gezogen, worauf eine Windmühle steht, und einige Müllerburschen, ganz mit Mehl bestäubt. Hiernächst kommt ein anderer Wagen von Büffeln gezogen, worauf ein brennender Ofen und zwei fast ganz nackte Menschen befindlich sind, wovon der eine von Zeit zu Zeit Brot aus dem Ofen holt und es unter das Volk wirft, welches sehr begierig darnach ist. Diesem Wagen folgt das ganze Korps der Bäcker, welches sehr zahlreich ist, paarweise in ihren besten Kleidern, und ein jeder trägt einen Korb mit Brot und Zwieback auf dem Kopf; die beiden letzten haben jeder einen Lustigmacher bei sich, auf das lächerlichste gekleidet, welche das Volk mit allerhand Possen belustigen. Dann kommen alle Handwerker mit Musik und lassen sich Zeichen vortragen, welche ihre Profession anzeigen. Unter ändern führen die Kürschner allerlei auf das künstlichste ausgestopfte wilde Tiere mit sich. Wie im Jahr 1717 zu Adrianopel eine dergleichen Prozession gehalten wurde, so bestand sie aus 20 000 Mann, die alle im Stande waren, die Waffen zu tragen und bereit, dem Sultan auf die erste Order zu folgen. Der Marsch wird durchgängig von einigen jungen Freiwilligen beschlossen, welche bis auf den Gürtel nackend sind, und sich, zu Bezeigung ihrer Tapferkeit, mit Messern große Wunden auf den Schultern, auf den Armen und am Kopfe versetzen, so daß sie ganz mit Blut bedeckt sind und ein schreckliches Ansehen haben. Die jungen Türken glauben, sich hierdurch besonders dem schönen Geschlechte gefällig zu machen, und ihnen Beweise ihres Heldenmuts zu geben.

(Vossische Zeitung, Berlin 1768, Nr. 147.)

Quelle: Buchner, Eberhard, Das Neueste von gestern, 5 Bde., München 1911 - 1913, Bd. 3, 1912, Nr. 270