Der französische Blumenhändler in Wien
Als Kaiser Franz I. von Österreich im Frühjahr 1814 nach Besiegung
Napoleons gegen Paris vorrückte, kam er auch in das französische
Städtchen Dijon. Hier überreichte ihm ein Fabrikant von Kunstblumen
namens Capuce, dessen Frau 1862 im Rufe der Heiligkeit starb, einen Strauß
von künstlichen Blumen. Der Kaiser hatte an den künstlichen
Blumen eine große Freude und sprach: "Schade, daß Sie
nicht in Wien sind! Wenn Sie bei uns in Wien wären, würden Sie
gute Geschäfte machen." Nach einiger Zeit wurde die Frau des
Blumenhändlers kränklich. Der Arzt riet ihr Luftveränderung.
Capuce, eingedenk der wohlwollenden Worte des österreichischen Kaisers,
entschloß sich nun, nach Wien zu übersiedeln (1817). Kaum hatte
er sein Geschäft eröffnet, so traf an einem Samstag nachmittags
ein kaiserlicher Diener ein und verlangte im Auftrage der Kaiserin Karoline
eine "Ballgarnitur", die Montag früh fertig sein sollte.
Der Franzose entgegnete: "Die Zeit ist zu knapp; mit dieser Arbeit
werden wir bis Mitternacht nicht fertig und am Sonntage arbeiten wir nicht."
Der Diener der Kaiserin sprach: "Der Kaiserin dürfen Sie nichts
abschlagen; sie wird Sie glänzend bezahlen." Der Blumenhändler
entgegnete kurzweg: "Gott im Himmel zahlt noch besser!" Der
Diener ging unverrichteter Dinge fort und richtete alles der Kaiserin
aus. Diese konnte die Frömmigkeit des französischen Ehepaares
nicht genug bewundern und sprach: "Das müssen brave Leute sein,
die so gewissenhaft ihre Pflicht gegen Gott erfüllen." Die Kaiserin
erzählte dann diesen Vorfall ihren Hofdamen, und bald kam eine Menge
vornehmer Damen zunächst aus Neugierde in das Geschäft des Franzosen
(das sich im Starhembergschen Freihause befand). Die Zahl der Kunden nahm
von Tag zu Tag so zu, daß das Geschäft erweitert werden mußte
und eine Berühmtheit in Wien erlangte. Die Sonntags-Heiligung hat
also dem französischen Ehepaare reichlichen Gottessegen eingetragen.
Ein Sprichwort sagt: "Sonntagsgewinn ist bald dahin"; und ein
anderes sagt wieder: "Soll die Arbeit dir gedeihen, mußt du
Gott den Sonntag weihen."
Quelle: Spirago, Franz, Beispiel-Sammlung für das christliche Volk, Prag 1918, Nr. 819