DER BRENNBERGER (zweite Sage)
Als nun der edle Brennberger mannigfalt gesungen hatte von seiner schönen Frauen, da gewahrte es ihr Gemahl, ließ den Ritter fahen und sagte: »Du hast meine Frau lieb, das geht dir an dein Leben!« Und zur Stunde ward ihm das Haupt abgehauen; sein Herz aber gebot der Herr auszuschneiden und zu kochen. Darauf wurde das Gericht der edlen Frau vorgestellt, und ihr roter Mund aß das Herz, das ihr treuer Dienstmann im Leibe getragen hatte. Da sprach der Herr: »Frau, könnt Ihr mich bescheiden, was Ihr jetzund gegessen habt?« Die Frau antwortete: »Nein, ich weiß es nicht; aber ich möcht es wissen, denn es schmeckt mir schön.« Er sprach: »Fürwahr, es ist Brennbergers Herz, deines Dieners, der dir viel Lust und Scherz brachte, und konnte dir wohl dein Leid vertreiben.« Die Frau sagte: »Hab ich gegessen, das mir Leid vertrieben hat, so tu ich einen Trunk darauf zu dieser Stund, und sollte meiner armen Seele nimmer Rat werden; von Essen und Trinken kommt nimmermehr in meinen Mund.« Und eilends stund sie auf, schloß sich in ihre Kammer und flehte die himmlische Königin um Hilfe an: »Es muß mich immer reuen um den treuen Brennberger, der unschuldig den Tod erlitt um meinetwillen; fürwahr, er ward nie meines Leibes teilhaftig und kam mir nie so nah, daß ihn meine Arme umfangen hätten.« Von der Zeit an kam weder Speise noch Trank über der Frauen Mund; elf Tage lebte sie, und am zwölften schied sie davon. Ihr Herr aber, aus Jammer, daß er sie so unehrlich verraten, stach sich mit einem Messer tot.
Kommentar: Fliegendes Blatt
Quelle: Deutsche Sagen, Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Brüder Grimm),
Kassel 1816/18, Nr. 500