Die Frömmigkeit Rudolfs von Habsburg
Dero Zit war Graf Ruodolf von Habspurg uffs Weidwerck mit sinen Dienern geritten gen Beitzen und Jagen, und wie er in einer Owe was allein uff sinem Pferdt, hört er ein Schellen klinglen. Do reit er dem Getön ernstlich nach, ze sechen, was es doch were. In der wilden Ow und Gestüd do fand er ein Priester mit dem hoch-wirdigen Sakrament und sin Mesner, der im das Glögkli vortruog. Do sprang Graf Ruodolf von sinem Pferdt, knüwet nider und tett dem Sakrament Reverenz. Nun was es an einem Wässerli und stalt der Priester des hochwirdig Sakrament nebent sich und fieng an sin Schuo abzeziechen und wolt durch den Bach gewatten sin, dann der Steg was durch Wachsung des Wassers verrunnen. Der Graf fragt den Priester, was er in der Wilde tuon weit. Der Priester antwurt imm: "Ich trag das heilig Sakrament zuo einem Siechen, der in großer Krankheit ligt, und hab also den nechsten Weg wellen gan, damit der Krank nit verkürtzt wurd, und so ich an disen Bach kummen, so ist der Steg verrunnen, und muoss also mit dem heiligen Sakrament watten." Do hieß Graf Ruodolf den Priester mit dem hochwirdigen Sakrament uff sin Pferdt sitzen und damit bis zum Kranken faren und sin Sach usrichten, damit der Krank nit versumpt werd, und saß der Graf uff ein ander Roß, so der Diener hat, der jetz zuo imm was körnen. Do nun der Priester wider heimkam, bracht er Graf Ruodolfen das Pferdt wider mit großer Danksagung der Tugent und Gnaden, die er im erzeigt hat. Do sprach Graf Ruodolf: "Das well Got niemer, das ich oder keiner miner Dienern mit Wüssen das Pferdt überschrijte, das min Herren und Schöpfer getragen hat. Dunckt Üch, daß irs mit Gott und Recht nit haben mögind, so ordnend es zum Gotzdienst, dann ich hab es dem geben, von dem ich Sei, Lib, Eer und Guot ze Lehen hab." Der Priester sprach: "Herr, nun muosse Gott Eer und Wirdigkeit hie im Zit und dort ewigklich an Üch legen." Morndes darnach reit Graf Ruodolf zuo dem Klösterli Paar, so zwüschend Zürich und Baden ligt an der Linmagt, da was ein selige geistliche Klosterfrow, die wolt er heimsuochen. Die selb Frow sprach zum Grafen: "Herr, Ir hand des vordrigen Tags Got dme Almechtigen ein Eer bewisen mit dem Roß, so Ir dem Priester ze Almuosen geben, des wirt Got der Almechtig Üch und Üwer Nachkomen hin wider begaben, und wüssend fürwar, das Ir und Üwer Nachkomen in höchste zitliche Eer und Namen kommen werdend."
Darnach ist der gemelt Priester des Churfürsten Ertzbischoffs von Mentz Kaplan worden und hat im von sölicher Tugent ouch von Mannheit des Grafen anzeigt, das des Grafen Namen im gantzen Rieh gross und namhafft ward, des er harnach ze König erweit ward.
Quelle: Tschudi, Aegidius, Chronicon Helveticum I (Quellen zur Schweizer Geschichte NF I, Abt. VII/Ia, ed. B. Stettler), Bern 1970, Nr. 166 b.
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Graf Rudolf von Habsburg ritt einmal mit seinen Dienern auf die Jagd.
Da hörte er plötzlich ein Glöcklein erklingen. Er drehte
sich um und sah, daß ein Priester mit dem hochwürdigsten Gute
zum Kranken ging. Rudolf kniete nieder und betete das heilige Sakrament
an. Nun kam der Priester zu einem Bache, dessen Steg infolge des starken
Regens weggerissen war. Da zog der Priester seine Schuhe aus und wollte
den Bach durchwaten. Als Rudolf das sah, stieg er sogleich vom Pferde
und ersuchte den Priester, das Pferd zu besteigen und zum Kranken zu reiten.
Am andern Tage brachte der Priester dem Grafen das Pferd zurück und
dankte ihm für die Gnade, die er ihm erwiesen hatte. Rudolf aber
nahm das Pferd nicht an, sondern sprach: "Das Pferd, das meinen Herrn
und Schöpfer getragen hat, will ich nimmer besteigen; es gehört
von nun an dem Dienste Gottes." Der Priester dankte und sprach gerührt
die prophetischen Worte: "Diese edle Tat wird Ihnen der Allmächtige
lohnen." Dieser Priester wurde später Hofkaplan des Erzbischofs
Werner von Mainz und machte diesen Kurfürsten auf den edlen frommen
Grafen aufmerksam. Der Erzbischof von Mainz lenkte daher bei der Königswahl
die Aufmerksamkeit der Kurfürsten auf Rudolf von Habsburg. So kam
es, daß der fromme Graf im Jahre 1273 zum deutschen König gewählt
wurde; er ist der Ahnherr des österreichischen Kaiserhauses.
Quelle: Spirago, Franz,
Beispiel-Sammlung für das christliche Volk, Prag 1918, Nr. 566