JOHANN PARRICIDA VON ÖSTERREICH
Es ist bekannt, daß im Jahre 1308 der Enkel des großen Habsburgers, Johann von Österreich, auch Johann von Schwaben genannt, den Sohn desselben, den Kaiser Albrecht, mit den Worten erschlug: »Hier der Lohn des Unrechts«, weil er ihm sein Erbteil vorenthalten hatte. Er und seine Freunde verstoben in den Wäldern, die beiden Weiber aber, Elisabeth und Agnes von Böhmen, übten gräßliche Rache an den Kindern und Hörigen der Entflohenen. Rudolph von Palm ward von ihnen ergriffen und lag lebend drei Tage auf dem Rade. Während dieser Zeit kniete betend in Liebe und Ergebenheit sein Weib unter dem Hochgericht, bis er, fest beharrend, daß Albrecht recht geschehen, starb und sie im Schmerz ihm folgte. Mit Walther von Eschenbach erlosch das edle Geschlecht des großen Sängers, und mit Blut und Feuer deckten die erzürnten Königinnen das weite Land am Bodensee, und vom Raube baute Agnes das Gotteshaus Königsfeld auf der Stelle, wo Albrecht erschlagen war, und blieb darin, um Werke der Demut zu üben und Almosen zu spenden. Als sie aber den alten Ritter Berchtold von Ostringen, der als Einsiedler in einer Felsenhöhle lebte, zu sich einlud, antwortete dieser: »Es ist ein schlechter Gottesdienst aus dem Raube Klöster zu stiften, Gott hat Gefallen an Gütigkeit und Erbarmung.« Was aus Johann von Österreich selbst geworden ist, darüber sind die Geschichtsschreiber uneinig. Allein Thomas von Hasselbach erzählt, er habe oft zu Wien am Neuen Markte einen blinden Bettler gesehen, der sich für Johanns Sohn ausgegeben, den er mit einer Frauensperson erzeugt, die er in den Wäldern mit sich geführt. Es scheint nun, daß jener Johann von Schwaben und dieser Jahn von Österieke ein und dieselbe Person waren. So erklärt sich auch der Umstand, wie es kommt, daß eine Bauerschaft Österrich in der Grafschaft Limburg in der Mark liegt und nach einem alten Lehnbuche des Stiftes Herdike Güter darin von diesem zu Lehen rührten, deren eins sogar einem gewissen Johann Smyt gegen Ende des 15. Jahrhunderts verliehen worden war.
Quelle: Grässe, J. G. Th., Sagenbuch des
Preußischen Staates, Bd. 2, Glogau 1871, Seite 916 (?)
aus: Leander Petzoldt, Sagen aus Wien, München 1993, Seite 26