Der Sieveringer Sagenkreis
um Karl und Agnes
XI. [Version]
Der Kohlenbrenner, "der durch die Agnes so reich geworden war",
ließ nördlich von der Jägerwiese bei dem "Geisterbrünndl"
eine Kapelle - nach andern eine Kirche - bauen, die aber, als die Gegend
verzaubert wurde, ebenfalls in die Erde sank. Viele Jahre nachher jagte
dort Karls Jäger und schoß einen Hasen an. Als er den Hasen
in die Weidtasche gesteckt hatte, stand auf einmal die verschwundene Kirche
mit weit geöffneten Toren vor ihm. Neugierig trat er hinein und die
Tore schlossen sich wieder. Bald darauf sah er die schöne Agnes und
Karl mit vielen reich gekleideten Dienern eintreten und dem Gottesdienst
beiwohnen. Als dieser beendet war, ging der Jäger hinaus, und im
Glauben, höchstens eine Stunde in der Kirche zugebracht zu haben,
eilte er nach Hause. Hier wollte man nichts mehr von ihm wissen, weil
er ein ganzes Jahr - nach andern neun Jahre - abwesend gewesen sei. Er
erzählte, daß er kaum eine Stunde in der Kirche zugebracht
habe, und zog seinen Hasen hervor, der noch warm war. Der Jäger betrachtete
diesen genauer und fand ihn schwer mit Gold gefüllt. Er schenkte
dem Burschen keinen Glauben, darum führte ihn dieser an die Stelle,
wo die Kirche war. Der Jäger sah aber keine Kirche mehr, und als
er seine Flinte auf den Burschen abschoß, sank er selbst tot zu
Boden.
Quelle: Die Sagen und Legenden der Stadt Wien,
herausgegeben von Gustav Gugitz, Wien 1952, Nr. 6, S. 15f
Für SAGEN.at korrekturgelesen von
Anja Christina Hautzinger, April 2005.