Der Sieveringer Sagenkreis
um Karl und Agnes
XIII. [Version]
Vor langen Jahren lebte ein Mann, der viel Nahrungssorgen hatte. Darum
begab er sich nachts häufig auf die Jagd in die Wälder bei Sievering.
Einst war ihm das Glück nicht günstig. Als er deshalb den Heimweg
antreten wollte, ward er auf der Jägerwiese plötzlich von einem
großen Lichtschimmer geblendet, der mitten aus dem Walde, der die
Jägerwiese umgibt, hervorleuchtete. Betroffen blieb er stehen und
dachte über die Ursache des Lichtes nach, das allmählich den
ganzen Wald erhellte. Da sah er auf einmal ein weißes, glänzendes
Pferd vor sich stehen, auf dem ein Riese saß. Vor Schreck konnte
er sich nicht von der Stelle bewegen. Der Schimmelreiter fragte den Mann,
was er hier suche, und der Wilddieb gestand ihm, daß der Hunger
ihn zwinge, nachts hier zu jagen; diesmal habe er nichts geschossen. Kaum
hatte er das gesprochen, als zwölf herrliche Hasen über die
Wiese liefen. Der Schimmelreiter befahl ihm, auf die Hasen zu schießen.
Der arme Mann weigerte sich, bis ihm der Reiter sein eigenes Gewehr überreichte,
während die Hasen auf einer Stelle blieben, obgleich sie immer liefen.
Das schwere Gewehr fiel dem Zitternden aus der Hand; um aber den Befehl
des Schimmelreiters zu vollziehen, legte er sich darauf und drückte
mühsam los. Es entstand ein furchtbarer Knall und alle zwölf
Hasen lagen tot auf dem Boden. Als sich der Mann von seiner Betäubung
erholt hatte, war der Reiter samt seinem Pferd verschwunden; nur die zwölf
Hasen lagen noch da. Mit dieser Beute beladen, ging er nach Hause. Als
er am anderen Morgen die Hasen untersuchte, fand er sie alle mit Gold
angefüllt. Dies machte ihn zum reichsten Manne weit und breit.
Quelle: Die Sagen und Legenden der Stadt Wien,
herausgegeben von Gustav Gugitz, Wien 1952, Nr. 6, S. 16f
Für SAGEN.at korrekturgelesen von
Anja Christina Hautzinger, April 2005.