Der Sieveringer Sagenkreis
um Karl und Agnes
XVI. [Version]
Es gingen einmal mehrere Personen miteinander zum Brünndl hinaus,
um Nummern zu sehen. Bei dieser Gesellschaft waren zwei junge Eheleute,
die ihr Kind, ein Mädchen von drei Jahren, bei sich hatten. Sie lagerten
alle auf der Jägerwiese und waren fröhlich und guter Dinge.
Auf einmal vermißte man das Kind. Man rief und suchte, aber alles
war vergebens.
Untröstlich über den Verlust des Kindes, durchsuchten die Eltern
drei Tage hindurch die ganze Waldung, und als sie am dritten Tage wieder
auf die Jägerwiese kamen, lag das Kind ruhig im Grase und spielte.
Auf Befragen der Eltern berichtete das Kind, es sei in einem wunderschönen
Schlosse gewesen, wo es viele Reiter und Pferde und eine sehr schöne
Frau gesehen habe. Die Frau sei sehr freundlich gewesen, habe es mit lauter
Backwerk gespeist und mit Met getränkt und habe überdies die
Säckchen des Kleides mit Zuckerwerk angefüllt. Man durchsuchte
die Säckchen, und siehe - statt des Backwerks fand sich eine große
Menge Goldes. Die schöne Frau, sagen die Leute, sei Agnes, die Geliebte
Karls, und die vielen Reiter seien die Bewohner des versunkenen Schlosses
gewesen.
Quelle: Die Sagen und Legenden der Stadt Wien,
herausgegeben von Gustav Gugitz, Wien 1952, Nr. 6, S. 18f
Für SAGEN.at korrekturgelesen von
Anja Christina Hautzinger, April 2005.