Das Cholerakreuz
An dem Wege, der von der Agnesgasse rechts auf den Dreimarkstein führt, steht ein einfaches, braunes Holzkreuz, von den Leuten "Cholerakreuz" genannt. Vor vielen Jahren wütete die Cholera auch in Sievering. Die vielen Toten begrub man in einem gemeinsamen Grabe, an dessen Stelle sich heute das Cholerakreuz erhebt.
Das Cholerakreuz in Wien-Döbling
© Harald
Hartmann, Oktober 2005
Nun mag unter den Verstorbenen, die da gemeinsam ruhten, einer gewesen sein, dessen Seele wegen einer ungesühnten Schuld im Grabe keine Ruhe fand, denn in der Geisterstunde tanzte über dem Grab immer ein Lichtlein. Niemand ging um diese Zeit an dem Grab vorüber.
Ein übermütiger Jägerbursche hörte von dieser Geschichte. Prahlend rief er zu seinen zechenden Genossen: "Ich werde der armen Seele schon Ruhe verschaffen!", packte sein Gewehr und ging in die Nacht hinaus. Beim Kreuz stand er still. Vom Kirchturm schlug es zwölf. Auf einmal tanzte und flatterte das Lichtlein um Kreuz und Grab. Da nahm er sein Gewehr und schlug mit dem Kolben nach ihm.
Im Wirtshaus saßen zur zwölften Stunde die Genossen und wurden
still. Da krachte ein Schuß. Sie warteten nun auf den Jäger.
Als der aber nicht kam, schlichen sich alle heim. Am anderen Morgen fand
man die Leiche des Jägers beim Kreuze liegen, die Kugel des eigenen
Gewehres im Herzen. Man begrub ihn auf der Stelle. Das Lichtlein hat man
jedoch nicht wiedergesehen.
Quelle: Die Sagen und Legenden
der Stadt Wien, herausgegeben von Gustav Gugitz, Wien 1952, Nr. 135, S.
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Für SAGEN.at korrekturgelesen von
Anja Christina Hautzinger, April 2005.