Das Hasenhaus
In der Kärntnerstraße befand sich einst das in der Renaissancezeit
erbaute Hasenhaus. Es war über und über mit prächtigen
Fresken bedeckt, und zwar mit einem gemalten Tierepos, das die verkehrte
Welt darstellte, wie die Hasen die Jäger und Hunde jagen. Ein Hase
als König mit Krone und Zepter erklärte den Krieg, ein Hasenherold
verkündigte ihn, man sah die Hasen in vielen Szenen die Hunde und
die Jäger jagen, fangen, foltern, verurteilen, prellen, hängen,
enthaupten, radbrechen und vierteilen. Jesuiten und Kapuziner in Hasengestalt
bereiteten die Verurteilten zum Tode vor. Die Hasen hielten schließlich
ein großes Siegesfest ab. Man erzählte sich, daß der
Besitzer des Hauses ein vornehmer Graf war, der sich unterfangen, Geld
zu münzen. Er war vor dem Kaiser dieses Verbrechens überwiesen
worden und hätte seiner Falschmünzerei wegen dem Henker zum
Strang und Galgen übergeben werden sollen. Nach vielem Bitten großer
und alter Familien wurde ihm, nachdem er mit einer großen Summe
Geldes den Schaden gebüßt hatte, das Leben unter der Bedingung
geschenkt, daß er und seine Familie einen Strick von Gold zeitlebens
um den Hals tragen sollten. Außerdem sollte er die Strafen, die
er verdient, als Wippen, Galgen und Rad an sein Haus in der Kärntnerstraße
malen lassen. Der goldene Strick wurde getragen, bis die Familie abgestorben.
Die Strafen ließ er unter dem Gedicht des Hasenkrieges wider die
Hunde und Jäger abmalen. Man sagte, er hätte damit andeuten
wollen, daß seine Richter Hasenköpfe wären, die ihn um
ein Stück Geld ledig und frei ließen.
Quelle: Die Sagen und Legenden
der Stadt Wien, herausgegeben von Gustav Gugitz, Wien 1952, Nr. 108, S.
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Für SAGEN.at korrekturgelesen von
Anja Christina Hautzinger, April 2005.