Der Klagbaum und die Wehklag
Die Gründung des Siechenhauses "zum Klagbaum" auf der
Wieden durch den Pfarrer Gerhard im Jahre 1267 brachte diesen Namen mit
einer auch sonst in Deutschland verbreiteten Sage in Zusammenhang. Dort
soll sich ein gespenstisches Wesen, die "Klag" oder "Wehklag"
gezeigt haben, das durch sein Wehklagen die Menschen vor Unglück,
auch vor gefährlichen Orten, wie vor Sümpfen, warnte. Man dachte
sich den Spuk als rollende Kugel, am Boden hinkollernd und herzzerreißende
Weherufe von sich gebend. Beim Klagbaum auf der Wieden sollen diese unheimlichen
Laute allerdings aus einem großen Lindenbaum hervorgekommen sein,
so daß die Gegend in Verruf kam und des Nachts niemand vorüberzugehen
wagte. Wie die "Klagmutter" in Nürnberg etwa, die Sterbefälle
ankündigte, war wohl auch "die Klag" in Wien nach der Meinung
der Leute beschaffen. Die "Klag" wimmert und rollt durch die
Gassen. Sie macht sich groß, sie schaut zum Fenster hinauf und heult
dreimal. Dort stirbt gewiß jemand. Wenn das auf der Gasse gehört
wurde, so getraute sich niemand zum Fenster hinauszuschauen, weil man
auch vorgab, der Kopf würde dem auf die Straße Blickenden dergestalt
aufgeschwollen, daß man ihn nicht mehr zum Fenster hereinbringen
könnte.
Quelle: Die Sagen und Legenden
der Stadt Wien, herausgegeben von Gustav Gugitz, Wien 1952, Nr. 52, S.
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Für SAGEN.at korrekturgelesen von
Anja Christina Hautzinger, April 2005.