Der See unter der Heilgenstädter Pfarrkirche

Der hl. Severin war es, der eine den heidnischen Bewohnern Heiligenstadts heilige Quelle, die große Verehrung bei ihnen genoß, verschütten ließ und den Opferstein, der neben ihr stand, umwarf. An derselben Stelle wurde eine Kirche erbaut, die heutige Heiligenstädter Pfarrkirche.

Doch erzählt sich das Volk noch, daß Severin wohl die Quelle verschütten konnte, daß sie aber unterirdisch weiter sprudle und so schon einen großen See unter der Kirche bilde, aus dem schwarze Fische mit feurigen Glotzaugen starren. Vor Zeiten führte sogar eine Tür hinter dem Hochaltar hinab zum See.

Einst fuhr eine böse, gottlose Frau während des Gottesdienstes zum Vergnügen auf dem See herum. Als sie aber den Nachen verlassen wollte, war dies unmöglich; sie war gebannt. Ihr fürchterlicher Schrei schreckte die Gläubigen und sie stiegen mit dem Priester in langer Prozession betend und singend zum See hinab, um den Fluch zu lösen. Es war umsonst. Sie war zu Stein erstarrt. Da wurde die Tür vermauert.

Der unheimliche See wird aber einst den Untergang der Kirche herbeiführen. Die Kanzel befand sich vor Erneuerung der Kirche an einer Stelle, wohin während des Vormittags kein Sonnenstrahl dringen konnte. An einem Pfingstsonntag aber wird bei der Predigt die Sonne dem Priester ins Gesicht scheinen. Ein Brausen und Rauschen dringt dann aus der Tiefe. Fluten brechen hervor und Kirche und Beter werden vom schwarzen See verschlungen.

Quelle: Die Sagen und Legenden der Stadt Wien, herausgegeben von Gustav Gugitz, Wien 1952, Nr. 38, S. 61
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Anja Christina Hautzinger, April 2005.