Der Teufel als Versucher
Auf dem Hermannskogel soll einst ein Nonnenkloster gestanden sein. In
dieses hatte sich eine Laienschwester Eingang zu verschaffen gewußt,
die es in kurzer Zeit durch Heuchelei so weit brachte, das Vertrauen der
Oberin und die Stelle der Pförtnerin des Hauses zu erhalten.
Dieses Amt benutzte sie, um nächtlicher Weile einen Besenritt nach
dem Blocksberge zum verrufenen Hexensabbath zu tun, denn diese Gottvergessene
war, mit einem Worte gesagt, nichts als eine Zauber- oder Blocksberg-Schwester,
die mit dem bösen Feinde sich zu tief eingelassen und listigerweise
sich von ihm die Zusage zu verschaffen gewußt hatte, daß er
sie nicht zerreißen oder holen würde, solange sie ihr Wesen
treibe und innerhalb des Klosters bleibe.
Im Vertrauen auf dieses höllische Versprechen trieb die böse
Schwester ihr Unwesen eine Zeitlang ungestört fort und bedachte nicht,
daß der auf Sand baut, der dem Worte des Teufels Glauben schenkt.
Eines Tages klang am hellen Tage die Klosterglocke und ein staatlicher
Jägersmann mit einem goldenen Hifthorn stand vor der Pförtnerin,
sie mit schmeichelnden Worten einladend, ihm zu einem nahestehenden Buchenbaum
zu folgen, bei dem seine die Erde scharrenden Hunde einen Schatz von hohem
Werte gefunden hätten, den er mit ihr teilen wolle.
Die durch die Erscheinung des schmucken Jägers, in dem sie einen
zweiten Schatz erblickte, betäubte Pförtnerin bedachte sich
nicht lange. Sie verließ die geweihte Schwelle und trat mit dem
Unbekannten in den nahen Wald, wo dieser indessen gleich seine Gestalt
veränderte und sich als Teufel in furchtbarster Gestalt eines Ungeheuers
zeigte, der die Unglückliche alsbald zerriß. Seitdem soll ihr
Geist in Gestalt eines gekrümmten, stummen, alten Weibes in der Gegend
des Buchenstammes zu sehen sein, der bei dem "Brünnlein am Kobel"
(jetzt Agnesbrünnl) aufragt.
Quelle: Die Sagen und Legenden der Stadt Wien,
herausgegeben von Gustav Gugitz, Wien 1952, Nr. 29, S. 49f
Für SAGEN.at korrekturgelesen von
Anja Christina Hautzinger, April 2005.