Die Teufelsmühle am Wienerberg
1. Fassung
Auf der Straße nach Baden, hinter der "Spinnerin am Kreuz",
liegt die sogenannte Teufelsmühle am Wienerberge, in der sich auch
seit undenklichen Zeiten ein Wirtshaus befand. Man erzählte sich,
daß diese Mühle in den Besitz des Raubritters Kilian von Drachenfels
kam, der hier nun unter dem Deckmantel eines ehrbaren Müllergewerbes
und des eines Schankwirtes nur umso ungestörter seinem Räuberhandwerk
nachging. Zu diesem Zwecke verband er sich mit allerlei üblen Gesellen,
und mancher Wanderer, der in dem vermeintlichen Wirtshaus Obdach und Imbiß
suchte, mußte hier sein Leben lassen. Lange kam man diesem Übeltäter
nicht auf die Spur.
So schlecht der Ritter war, so herzensgut war seine Frau; sie sah mit
Abscheu, was für ein Unhold ihr Mann war. Sie bat ihn auf den Knien,
er solle sich von seinen Spießgesellen trennen, seine Untaten büßen
und Gottes Barmherzigkeit anflehen, daß er nicht der Hölle
verfalle. Das ergrimmte den Wüterich so sehr, daß er seine
Frau in den tiefen Mühlbrunnen warf.
Damit war aber das Maß seiner Sünden voll. Nach dieser Untat
erhob sich ein furchtbarer Sturm, die Erde erzitterte, die schrecklichsten
Geister der Hölle erschienen und mit ihnen verschwanden der Ritter
und seine Spießgesellen. Die Mühle verödete und jedermann
eilte so rasch als möglich an dem unheimlichen Haus vorbei, von dem
es nun hieß, der Teufel treibe sein Unwesen darin. Um zwölf
Uhr nachts begannen sich die Mühlräder zu drehen, und der Ritter
und seine dem Teufel verfallenen Kumpane erschienen und schleppten unter
Jammern und Stöhnen schwere Getreidesäcke herbei, die sie durch
die Lüfte sausend in die Mahlkästen der Mühle schütteten.
Dies sollte, so hieß es, so lange geschehen, bis die ermordete Frau
aus dem Brunnen hervorgeholt und ihr Leichnam in geweihter Erde zur ewigen
Ruhe bestattet sein würde. Wer aber die arme Seele erlöse, werde
reich belohnt werden.
Nach vielen Jahren kam einst spät in der Nacht ein junger Ritter
mit seinem Knappen an der Teufelsmühle vorbei. Ein schweres Unwetter
zwang sie, dort Schutz zu suchen. Sie setzten sich an einen Tisch der
totenstillen Mühle und jeder nahm sein Schwert in die Hand, um so
die Nacht durchzumachen. Der Ritter, Günter von Schwarzenau, sann
trüb über sein unglückliches Schicksal nach, das ihn verfolgte.
Er war wenig begütert und sein Nachbar war einer der mächtigsten
und reichsten Ritter im ganzen Lande, dessen Tochter von vielen Freiern
umworben wurde. Aber sie hatte ihr Herz dem jungen Günter geschenkt;
nur er sollte einst ihr Gemahl werden. Aber ihr Vater wollte sie nur dem
mächtigsten und reichsten Ritter zur Frau geben, niemals jedoch dem
armen Ritter von Schwarzenau. Als nun Günter so über sein Liebesleid
nachsann, da ertönten die zwölf Glockenschläge der Mitternacht,
und kaum war der letzte verklungen, so fingen die Mühlräder
an, polternd Zu gehen. Und schon erschienen der gespenstische Ritter Kilian
und viele seiner Knechte, mit Säcken schwer beladen, und jagten an
dem zu Tode erschrockenen Ritter und seinem Knappen vorbei. Günter
faßte sich bald, erhob sein Schwert und rief: "Bei dem heiligen
Kreuz unseres Erlösers beschwöre ich euch, daß ihr mir
sagt, wie ich euch erlösen kann. Ich will es tun, so wahr mir der
barmherzige Gott helfe!". Da ließ sich mit einem Male eine
Frauenstimme vernehmen: "Ritter von Schwarzenau! Deine Gottesfurcht
und Güte gegen alle Menschen geben dir die Kraft, mich zu erlösen.
Mein ruchloser Mann warf mich einst in den Brunnen dieses Hauses. Aber
Gott will ihm gnädig sein, wenn du mich aus dem Brunnen holst und
in geweihter Erde begräbst. Dann bin ich erlöst und auch er
wird die Ruhe seiner Seele finden. Geh furchtlos an das Werk!" -
Die Uhr schlug eins und aller Spuk hörte auf. Wie aus einem Traum
erwachend, sprach Günter zu seinem Knappen: "Du hast gehört,
was von mir verlangt wird, und meine Ritterpflicht gebietet mir, auch
das Schwerste zu verrichten, wenn es zum Segen einer armen Seele gereicht."
Beim Morgengrauen suchten nun beide den Brunnen und fanden ihn bald. Mit
Leitern, die zur Hand waren, stiegen die beiden in den Brunnen und sie
konnten die tote Frau ans Tageslicht bringen, die alsbald in geweihter
Erde begraben wurde. Kaum aber waren die letzten Worte des Geistlichen
beim Grab verklungen, so hörte der Ritter eine Stimme, die ihm freudig
zurief: "Habe Dank, du edler Rittersmann, du hast mich arme Seele
erlöst und auch mein Mann wird Ruhe finden. Gehe nun heim in deine
Burg: du wirst dort auf dem Tisch einen reichen Schatz finden, auf dem
kein Fluch lastet, und deine Braut wird dein glückliches Weib werden."
Es traf auch alles so ein, und von dieser Stunde an war jeder Spuk in
der Teufelsmühle verschwunden.
Quelle: Die Sagen und Legenden
der Stadt Wien, herausgegeben von Gustav Gugitz, Wien 1952, Nr. 30, S.
50ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von
Anja Christina Hautzinger, April 2005.