Der goldene Halbmond

Als die Besatzung der Festung Wien erkannte, daß sie nicht länger werde standhalten können, begehrte sie vom Sultan einen zehntägigen Waffenstillstand, um ihrem Herrn einen Absagebrief zu übersenden. Wenn sie innerhalb der gesetzten Frist keine Hilfe erhalte, betrachte sie sich ihres Eides entbunden und wolle die Stadt übergeben. Zugleich bat sie, den Stephansturm zu schonen. Der Sultan willfahrte ihren Bitten, aber mit der Bedingung, daß sie anstatt des Kreuzes einen Halbmond auf die Spitze setze. Was die Belagerten auch taten. Die Übergabe jedoch verzögerten sie unter mancherlei Vorwänden, bis Sultan Süleyman wegen des einfallenden Winters die Belagerung abbrechen mußte.

Quelle: Teply, Karl, Türkische Sagen und Legenden um Wien, die Stadt des Goldenen Apfels der Deutschen, in: Österreichische Zeitschrift für Volkskunde 31 (1977), 225 - 284;