DES STARHEMBERGERS SITZ
Auf Sankt Stephans Riesen
In dem Söllergang,
Wird ein Sitz gewiesen,
Dem nur ehrfurchtvoll
Jeder nahen soll.
Starhemberger's Sitz, Südturm,
St. Stephan
(Teilansicht)
© Wolfgang Morscher, 28.07.2001
Auf dem Stephansturme
Saß Graf Starhemberg
Bei dem Türkensturme,
Auf dem Stuhl von Stein,
Starren Blicks - allein.
Ha, wie scharf du blickest,
Kommandant von Wien!
Und zum Himmel schicktest
Flammendes Gebet:
"Herr! Komm nicht zu spät !"
Ringsum lagern Heere
Kara Mustaphas;
Ringsum blinken Speere,
Und der Türke droht
Unerhörte Not.
Schlachtendonner toben,
Und der Kommandant
Auf dem Turme droben
Fliegt vom Sitz von Stein
In die Schlachtenreih'n.
Bald im blut'gen Tanze
Kämpft der Starhemberg
Auf bedrohter Schanze.
Mutig allerwärts
Schlägt sein Heldenherz.
Bald im Feld vernichtend
Mäht des Grafen Schwert;
Bald auch straft er richtend,
Und allen den zeigt
Er sich ungebeugt.
Bald auch wieder eilt er
Hoch empor zum Turm,
Spähend dort verweilt er;
Über Stadt und Feld
Blickt vom Turm der Held.
Vierzig lange Tage!
Sturm erfolgt auf Sturm.
Lauter wird die Klage;
Armes Wien! Du bangst
Ach, in Todesangst.
Flammend wie Gebete
Rauscht vom Stephansturm
Hoch auf die Rakete.
Und ihr Leuchten fleht:
"Herr! Komm nicht zu spät!"
Ha! Wie ferne Blitze
Flammt's dort überm Berg.
Auf von seinem Sitze
Fährt der Kommandant:
"Gott hat es gewandt!"
"Das sind gute Zeichen!
Morgen! O brich an,
Morgen ohnegleichen!
Gottes Trost ist da,
Sobieski nah!"
Seit dem Türkensturme
Trug der Starhemberg
Von dem Stephansturme
Frank im Wappenschild
Das erhabne Bild.
Quelle: Die schönsten Sagen aus Wien, o.
A., o. J., Seite 364