Das Jungferngäßchen
Die Schwibbogen, welche sich über dieses Gäßchen wölben,
gaben Veranlassung zu einer alten Sage. In einem Hause hatte ein hübsches,
aber leichtfertiges Mädchen namens Frowiza gewohnt. Ihr gegenüber
hatte der Stadtrat Stephan Knopler seine Behausung, dessen Sohn, ein schmucker
Junker, die gedachten Schwibbogen immer als Brücke benutzte, um seiner
Nachbarin Besuche zu machen. Einmal kletterte er des Nachts im betrunkenen
Zustand eben über diese Schwibbogen hinüber, als sein Vater
ihn erblickte und ihm eine Drohung zurief. Erschreckt hierüber, verlor
der Junker das Gleichgewicht, stürzte herab und brach das Genick.
Der Vater machte hierauf der Dirne einen Prozeß, und sie mußte
öffentlich Kirchenbuße tun.
Quelle: Calliano, Carl, Niederösterreichischer Sagenschatz, Wien 1926 - 1936, Bd. 3, 1926, S. 170