DER SCHWARZE CHRISTOPH

Im Goldberger Kreise [Złotoryja], eine halbe Meile nördlich vom Gröditzberge, im Dorfe Nieder-Alzenau, hatte der schwarze Christoph seine Burg. Er war aus dem Geschlecht von Reisewitz. Den Übernamen verdankte er seinen schwarzen Haaren. Mit seinem Namen scheuchten die Mütter die Kinder; denn er war ein in Schlesien gefürchteter Raubritter. Besonders diente ihm der der Stadt Goldberg gehörige Hainwald zum Aufenthalt. Hier überfiel er die Kaufleute. Große Achtung hatte er allein vor Gelehrten. Er verschonte sie fast immer; jedoch mußten sie sich ihm als solche erst ausweisen, indem sie eine Feder schnitten oder eine Zeile schrieben.

Viele Edelleute hielten zu ihm, und auch der Herzog Friedrich II. nahm über die Zeit Rücksicht, bis ihn die Goldberger Bürger in seiner Burg während eines nächtlichen Festes überfielen, nach blutigem Kampfe banden und einlieferten. Der Herzog verurteilte ihn schließlich, und man hing ihn und einen Knecht, beide in weißen Hemden, den Herrn zum Unterschiede mit Sporen an den Stiefeln, in Liegnitz an den Galgen. Wie er zur Richtstätte geführt ward, sagte er: „Hätte ich daran gedacht, was David im Psalter sagt: Verlaßt euch nicht auf Fürsten, sie sind Menschen und können nicht helfen, so ständen meine Sachen besser." Als man seinen Knecht, einen anständigen Menschen, henken wollte, bat dieser: Liebe Herren, schont doch meiner. Ich will euer treuer Diener sein, auch fleißig arbeiten, und wo mir dieses nicht helfen sollte, will ich sogar ein Weib nehmen. Denn das hielt er für eine schwerere Arbeit als Holz hauen und Steine tragen. Aber alles nützte ihm nichts; er mußte an den Galgen.

Das Angedenken des Ritters ist heute noch lebendig. Du leugst wie der schwarze Christoph! hieß es von einem argen Lügner.

Sein Raubschloß in Alzenau ist versunken; ein Erlicht bezeichnet die Stelle, an der es stand; noch heute ist es dort nicht geheuer. In der Sternburg bei Bunzlau, deren Stille kein Vogel stören darf, konnte man noch in den sechziger Jahren das aufrechtstehende Denkmal eines Ritters erblicken, in welchem das Volk den schwarzen Christoph erblicken wollte.


Quelle: Sagen aus Schlesien, Herausgegeben von Oskar Kobel, Nr. 13