§ 18. C. Burgunder und Gothen.
Der Kreis von Sagen, in welchem die sich entgegengesetzten Deutschen Stamme einander begegnen, bietet vorzugsweise große Begebenheiten und gelungene Gemälde dar.
a, Das eine Gedicht dieses Kreises ist nicht mehr Deutsch, sondern nur in einer Lateinischen Bearbeitung vorhanden, welche der dritte Ekkehard im Kloster St Gallen, st 976, nach dem Muster des Virgilius und Lucanus verfaßte, Walter, ein Aquitanischer Prinz, ist als Geißel bei Attila mit Hagene Aldriane's Kind, welcher letztere heimlich an den Fränkischen Hof zurückkehrt. Walter, für den Hunnenkönig mehrere glückliche Feldzüge vollbringend, kommt in ein zärtliches Einverständniß mit Hildegund, welche für ihren Vater Herrich von Burgund ebenfalls als Geißel am Hunnischen Hof lebt. (Ildico?) Er entfliehet mit ihr und nimmt viel Schätze mit sich, wird aber im Fränkischen Wasgau (den östlichen Vogesen) von Günther um seines Goldes willen angegriffen. Walter schlägt Alle darnieder, selbst einen Bischof Camelot und Patawrid, Hagene's Schwestersohn. Hagene, obwohl zur Rache seines Blutes gereizt, denkt an die dem Walter sonst gelobte Treue und will nicht gegen ihn kämpfen, bis er es als der Vasall um des Königs Ehre thun muß. Nach einer längeren Provocation und Rechtfertigung kämpft er mit seinem Jugendfreunde und beide verwunden sich gegenseitig, worauf eine Sühne zu Stande kommt, bei welcher Hildegunde sich sehr anmuthig benimmt. Walter kehrt nun mit ihr nach Aquitanien. Daß er in den Nibelungen (V. 7047) Walter von Spanien genannt wird, liegt darin, daß Aquitanien im Westgothischen [Westgotischen] Reich eine Provinz war.
Das Gedicht hat 1452 nicht übel gebildete
Verse und ist besonders in den beiden letzten Dritteln nicht selten
wirkliche Poesie. De prima expeditione Attilae in Gallias ac de
rebus gestis Walthari Carmen Epicum Saeculi VI. ed. F. C. J. Fischer.
Lipsiae 1780. 4. Dasselbe mit einer metrischen Uebersetzung (1827.
8.) von Klemm. - Die ebenfalls Lateinische in das Legendenhafte
hinübergespielte Bearbeitung im Kloster Nobalese am Cenis im
11ten Jahrhundert findet sich bei Muratori T. III. - Endlich findet
sich die Sage bei Sommersberg Script. rer. Siles. II. 37 - 39 in
Boguphali (st. 1253) Chronicon Poloniae, nur daß die Entführung
hier von Franken aus nach Polen hin geschieht.
Quelle: Das
Heldenbuch und die Nibelungen, Karl Rosenkranz, Halle 1829,
S. 31f
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