b, Otnit.
Auch auf Lombardischem Grund äußerlich erwachsen ist
das vortreffliche Gedicht von Kaiser Otnit, in sieben Abenteuern
569 vierreimige langzeilige Strophen. Otnit, König von Garda
und Kaiser von Lampartenland, hört durch seinen Oheim Elias
von Russen, wie der König Nachaol von Syrien eine wunderschöne
Tochter besitze, die er aber fest eingeschlossen habe. Mit einem
von seiner Mutter ihm geschenkten Zauberring findet Otnit in der
Wildniß den Zwergenkönig Elberich, der sich ihm als seinen
Vater zu erkennen giebt und einen goldnen Harnisch nebst dem Zauberschwert
Rose schenkt. Nun zieht Otnit über Meer nach Syrien, erobert
die Stadt Suders und die Veste im Gebirg Muntenbur, wobei ihn Elberich
eben so unterstützt, als Malagys in den Heimonskindem dm Reinhold.
Nachaol wird gezwungen, seine Tochter dem Otnit zur Ehe zu geben,
und sie wird in der Taufe Sydrat genannt. Sein Schwiegervater aber,
sich un rächen, sendet den Jäger Velle und sein Weib Rutze
mit Würmen in Lamparten, welche, in Friaul groß gezogen,
das ganze Land verwüsten, so daß Otnit sich gegen sie
aufmacht, den Jäger und die Jägerin erschlägt, aber,
durch den Zauber einer Linde, unter der er eingeschlafen, unkräftig
gemacht, von dem alten Drachen an einem Baum todt gestoßen
und in die Höhle getragen wird, wo ihm die jungen Drachen durch
die Ritzen der goldenen Brunne das Blut aussaugen. Ueber die Kunst
des Liedes können wir Mone's Ur-cheil in seiner Ausgabe des
Otnit (Berlin. 1821. 8 S. 55.) anführen: "Unser Lied zeichnet
Einfalt der Erzählung, richtige Haltung der Charaktere, Lebensrreue,
Innigkeit und Lebensfülle aus. Der schöne Zug, wie der
Sydrat vom Elberich ihr künftiger Gemahl von der Zinne des
Bethauses gezeigt wird, erinnert an die vielberühmte Mauerschau
der Helena und an die nicht geringere der Brunhild im Nibelungen
- Liede. Mit Uebergehung noch vieler Stellen und der herrlichen
Darstellung Otnites soll meine letzte Betrachtung auf Elberichen
ein wenig verweilen, der unübertrefflich behandelt ist - von
seinen muntern väterlichen Neckereien an bis zu seinem Verschwinden.
Seine Treue, Schonung, Sorgfalt und Thätigkeit treten überall
hervor, und dieser Elfenreche, Elfenfürst, dieses altheidnische,
kosmogonische Wesen wird vom Dichter zuletzt mit unnachahmlicher
Unbefangenheit auch in ein christliches höheres Wesen umgewandelt,
und erhält so unbewußt seine alte religiöse Bedeutung
wieder. Da wird er dann ein unsichtbarer Engel, der die Heiden bekehrt,
und bei seiner Erscheinung das hohe Wort des Glaubens der Sydrat
verkündigt und unter Gesang Spiel und als ein freundlicher
Geist aus dem Leben verschwindet. Dann aber folgt die Noth des Menschen
und mit ahnendem stillen Hinüberschauen in das ferne Todesschicksal
schließt sich ernst und wehmüthig die bedeutsame Sage."
Quelle: Das
Heldenbuch und die Nibelungen, Karl Rosenkranz, Halle 1829,
S. 41ff
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