DER UNTERGANG VON JUMNETA (VINETA)

An der Mündung der Oder lag einst die sehr angesehene Stadt Jumneta, die den Barbaren und Griechen, die ringsumher wohnten, einen sehr berühmten Mittelpunkt des Verkehrs darbot. Zum Preise dieser Stadt wurden große und kaum glaubwürdige Dinge erzählt. Sie war in der Tat die größte aller europäischen Städte, bewohnt von Slawen und einer gemischten Bevölkerung von Griechen und Barbaren. Auch die hinreisenden Sachsen erhielten Erlaubnis, dort zu wohnen, freilich nur, wenn sie sich nicht öffentlich als Christen zu erkennen gaben; denn bis zum Untergange der Stadt waren alle Bewohner in heidnischem Irrglauben befangen. Was Sitte und Gastlichkeit anlangte, war kein ehrenwerteres und gutherzigeres Volk zu finden. Reich durch die Waren aller Nationen, besaß Jumneta alle möglichen Annehmlichkeiten und Seltenheiten. Die so wohlbegüterte Stadt soll ein König der Dänen, der mit einer sehr großen Flotte heransegelte, von Grund auf zerstört haben, doch sind noch Überreste von ihr vorhanden. Das Meer zeigte sich bei Jumneta in dreierlei Art. Die Insel, auf der sie lag, wurde nämlich von drei Gewässern umspült, eines davon war grün, ein anderes weiß, das dritte aber wurde unaufhörlich von wütenden Stürmen erregt.


Quelle: C. M. Laurent und W. Wattenbach (ed.), Helmholts Chronik der Slawen, 3 1910, S. 7 ff.
aus: Historische Sagen, Leander Petzoldt, Schorndorf 2001, Nr. 84, S. 53