Hans Dollinger und der Türke.
Eines Tages war Regensburg in großer Aufregung. Ein Riese kam dahergereist, Craco mit Namen, der einem Goliath vergleichbar war, denn seine Wehr und Waffen waren gewaltig. Es wurde von ihm gesagt, er wäre ein Zauberer und niemand könnte ihn besiegen. Er ritt vor des Königs Tor und hielt eine herausfordernde Rede, verlästerte Gott und Menschen und fragte, ob niemand hervorkäme, mit ihm um Leib und Seele, Gut und Ehre zu stechen. Aber keiner wollte dem Türken erliegen, und der Kaiser war verzagt, daß sein Hof so lästerlich dastand und er keinen Mann senden konnte, mit dem Riesen zu kämpfen. Nur einer wäre so kühn gewesen, Hans Dollinger, der aber saß eingekerkert, weil er einen Verrat an seinem Herrn und König begangen haben sollte.
Als Dollinger von dem Riesen und von der Bedrängnis des Königs
hörte, bat er, ihn seiner Fesseln zu entledigen und mit dem ungeschlachten
Manne streiten zu lassen. Der Zweikampf begann; verschiedentlich wurden
die Speere gewechselt. Schließlich wurde Dollinger von dem Türken
so getroffen, daß er auf den Rücken fiel. Den König ergriff
eine große Furcht; er ging hin, um zu sehen, ob Dollinger sich ein
Leids getan, aber da sprang dieser frisch und gesund auf und fing ein
neues Stechen mit dem Türken an. Diesmal unterlag der freche Riese.
Der Speer drang ihm in den Kopf hinein, daß der gewaltige Mann tot
zu Boden fiel. Alle Welt jubelte ihm zu; der bescheidene Dollinger aber
legte Wehr und Waffen ab und machte sich auf den Weg zum Kerker. Da aber
trat ihm der Kaiser tief gerührt entgegen, vergab ihm seine Schuld
und machte ihn wieder frei und ehrenfest.
Quelle: Alexander
Schöppner, Sagenbuch der Bayerischen Lande, München 1852 / 1874,
Bd. I, Nr. 107.
aus: Leander Petzoldt, Historische Sagen, Mit Anmerkungen und Erläuterungen,
Band II, Baltmannsweiler 2001, Nr. 614, S. 132 f.