Wie Eulenspiegel mit einem Totenkopfe herumzog und, denselben für ein großes Heiligtum ausgebend, viel Geld gewann.

Es hatte sich Eulenspiegel in allen Ländern seiner Bosheit wegen bekanntgemacht; und wo er einmal gewesen war, da war er nicht wieder willkommen, es wäre denn, daß er sich verkleidet gehabt hätte, so daß man ihn nicht kannte. Er hätte bei seinem Müßiggange in der Welt nimmermehr ein Fortkommen auf ehrliche Art gefunden; doch mit Gaukelspiel hatte er sich allzeit Geld genug gewonnen und war von Jugend auf guter Dinge gewesen. Da nun aber seine Schalkheit überall bekannt war, so begann seine Nahrung hinter sich zu gehen, und er wußte fast nicht mehr, was er treiben sollte, um ohne zu arbeiten Geld zu bekommen. Er nahm sich endlich vor, sich für einen Stationierer oder solchen auszugeben, der mit Heiligtümern im Lande herumwanderte. Zu dem Ende verkleidete er sich in das Gewand eines Priesters, nahm einen Totenkopf und ließ ihn in Silber fassen. So kam er in das Land Pommern, allwo sich die Priester damals mehr an das Saufen als an das Predigen hielten. Wenn nun in einem Dorf Kirchweih, Hochzeit oder eine andere Versammlung war, so machte sich Eulenspiegel zu dem Pfarrer und bat ihn, daß er ihn predigen und den Bauern sein Heiligtum verkündigen ließe, womit er sie bestreichen wollte wider allerlei leibliche Gebrechen. Was er dafür an Opfer von den Bauern bekäme, das wollte er mit dem Priester teilen. Der ungelehrte Pfaff war wohl damit zufrieden, in der Hoffnung, Geld zu bekommen. Wenn nun das meiste Volk in der Kirche war, stieg Eulenspiegel auf den Predigtstuhl, sagte ihnen allerlei ungereimtes Zeug von alten und neuen Dingen und sprach sonderlich auch von dem Haupte Brandonis, der ein heiliger Mann gewesen wäre. Solches Haupt führe er bei sich und heile damit allerlei Krankheiten. Auch sammle er Almosen zum Bau einer Kirche des heiligen Brandonis, und wer wolle, möge beisteuern dazu. Er warne aber sonderlich die Weiber im voraus: welche eine Ehebrecherin wäre, die möge ja nicht zum Opfer kommen, denn von einer solchen nähme er nichts an. Hierauf reichte er den Leuten das Haupt zu küssen, welches er vielleicht irgendwo unter einem Galgen aufgelesen hatte, gab den Bauern und Bäuerinnen den Segen und ging von der Kanzel. Zuletzt stand er vor dem Altar, fing an zu singen und mit den Schellen zu klingen. Da drängten sich die bösen Weiber samt den guten mit ihrem Opfer zu dem Altar, und die, welche in einem bösen Gerücht standen, die wollten die ersten sein mit ihrem Opfer. Eine jegliche gedachte auf diese Art zu beweisen, daß sie keine Ehebrecherin sei, und Eulenspiegel nahm das Opfer von guten und bösen Weibern und verschmähete niemand. Die einfältigen Frauen glaubten fest an seine listige und schalkhafte Sache und meinten, welche Frau sitzen bliebe, die hätte kein gutes Gewissen. Wenn eine Frau kein Geld hatte, die opferte einen goldenen Ring und hatte immer eine Achtung auf die andere, ob sie auch opferte. Die, mit denen es nicht richtig war, brachten die größten Gaben, damit sie Eulenspiegel ja nicht zurückweise, und meinten sich damit vor aller Welt Augen ganz rein zu waschen. Es waren auch viele, die zwei- oder dreimal opferten, damit es das Volk ja sehen möchte. Eulenspiegel bekam also die schönsten Opfer, die jemals gebracht worden, und gebot ihnen bei dem Bann, mit keiner Schalkheit mehr umzugehen, denn sie wären nunmehr ihrer Sünde ganz frei. Darauf wurden die Frauen allenthalben fromm, und er passierte gleichfalls für einen frommen Prediger. So wußte Eulenspiegel die Bosheit zu praktizieren.

Quelle: Aus dem Volksbuch "Der wiedererstandene Eulenspiegel", Volksbücher 12, Leipzig 1845, bei Otto Wigand, hrsg. v. G. O. Marbach, S. 34 f.
aus: Leander Petzoldt, Historische Sagen, Mit Anmerkungen und Erläuterungen, Band II, Baltmannsweiler 2001, Nr. 599, S. 122 f.