Der märkische Eulenspiegel Hans Clauert.
In Berlin wohnte ein Bürger mit Namen Jakob Schulze, der auch zugleich
Apotheker war. Mit diesem war Clauert sehr gut bekannt und sein vertrauter
Freund; deshalb pflegte er auch gewöhnlich seine Herberge bei ihm
zu haben, wenn er in Berlin war. Als er nun einstmals bei ihm einkehrte
und beide in Jakob Schulzens Wohnung zechen wollten, ließen sie
Bier aus dem Stadtkeller holen. Die Magd blieb mit dem Bier ziemlich lange
aus, und weil Clauert bemerkt hatte, daß dieselbe übrigens
eine scharfe Hechel war, so sagte er, bevor sie wiederkam, zu Schulzen:
"Lieber Jakob, wenn du mir erlauben willst, so will ich mich mit
deiner Magd ein paar Stunden zanken; du darfst dich aber gar nicht darum
bekümmern." Jakob Schulze, der Clauerts Weise wohl kannte, erwiderte
ihm: "Das kann ich schon geschehen lassen." Als nun die Magd
mit dem Biere kam, sagte dauert: "Siehe, lieber Jakob, hier gehet
die Magd wie eine Jungfrau in Haaren, und zu Rüstorf stillt eine
Frau ihr Kind!" Dieses Dorf lag nämlich ganz nahe an der Stadt
Berlin. Die Magd sagte: "Das lügst du von mir, wie ein alter
einäugiger Schelm und Bösewicht." Clauert antwortete: "Du
magst sagen, was du willst, es bleibt dennoch wahr, daß du hier
als eine Jungfrau gehst; und siehe, lieber Jakob, zu Rüstorf stillt
eine Frau ihr Kind." Hatte die Magd zuvor heftig gescholten, so machte
sie es jetzt noch zehnmal ärger, und dies währte länger
als eine halbe Stunde. Da wollte sie endlich zum Bürgermeister laufen
und ihn verklagen, daß er beweisen solle, wo und mit wem sie ein
Kind gehabt hättte und welche Frau dasselbe stillte, dauert erwiderte
darauf: "Davon weiß ich nichts, daß du ein Kind haben
sollst, aber das weiß ich sicher, daß eine Frau zu Rüstorf
ihr eigenes Kind stillt und daß du in deinen Haaren gehst wie eine
Jungfrau, wofür ich dich auch gehalten habe und noch halte, da ich
dir nichts Böses nachzusagen weiß." Die Magd konnte vor
Zorn Clauerten noch nicht recht verstehen und drohte daher fortwährend,
ihn zu verklagen. Da sagte ihr endlich Jakob Schulze, was Clauert eigentlich
meine, so daß sie sich nun zufrieden geben mußte, sonst würde
der Zank sicherlich nach Clauerts Worten zwei Stunden gewährt und
vielleicht dann noch keine Ende genommen haben.
aus: Leander Petzoldt, Historische Sagen, Mit Anmerkungen und Erläuterungen, Band II, Baltmannsweiler 2001, Nr. 602, S. 124 f.